Vom göttlichen Wohlgeruch.
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Wir wissen aus früheren Beispielen1, daß für griechische Anschauung
Blumen darum Bilder des Lebens sind, weil in ihrem Duft der
lebendige Atem der Natur spürbar wird. So erklärt sich der Sinn
dieser frommen Wünsche, wie schon alte Kommentatoren gesehen
haben2, durch die Vorstellung, daß der Duft der aus den Leibern
der Toten aufwachsenden Blumen Zeichen ihrer Unverweslichkeit
ist. Wie man aus alten Sagen wußte, daß auf den Stätten, wo
Götterlieblinge wie Narkissos und Hyakinthos begraben lagen,
duftende Blumen zum Erweise ihres im Tode nicht begrabenen
Lebens wuchsen, so wünscht man das gleiche für die eigenen
geliebten Toten, als halte man in dem Atmen der blühenden Natur
ein Unterpfand des eigenen unvergänglichen Lebens. So ist das
Symbol des Duftes, in dem göttliches Leben sich offenbart, zurück-
geführt in das geheimnisvolle Leben der Natur, das alle mensch-
liche Vergänglichkeit überdauert, und dieses alte Bild aus der
Anschauung der immer neu lebendigen Blüte der Blumen, in deren
ausströmendem Dufte ihre Seele frei wird, zu neuer Form des
göttlichen Lebens entstanden. Für die griechische vitale Art der
Frömmigkeit, die in dem Lebenskreise dieser Erde ihr Genüge
findet, ist diese Naturdeutung des Duftsymbols ungemein be-
zeichnend; wie ,,diese Welt leiblich wahrnehmbarer Gott“ — um
das platonische Wort noch einmal anzuführen3 —, so der Tod und
Verwesung überwindende Duft ihrer Blumen der Duft der menschen-
eigenen Göttlichkeit.
Diese Anschauung ist nicht nur Volksglaube geblieben; Persius
.schreibt einmal (Sat. 1, 35ff.):
Adsensere viri: nunc non cinis ille poetae
Felix? Non levior cippus nunc imprimit ossa ?
Laudant convivae: nunc non e manibus illis
Nunc non e tumulo fortunataque favilla
nascentur violae ?
1 S. oben S. 6 Anm. 3.
2 d’Orville in seiner Ausgabe des Charito, ed. altera, Leipzig 1783,
p. 351: Non significant haec simpliciter quod saepe ominabuntur ut crescerent
in tumulo potius flores quam cardui et capriferi. Sed optat, ut cineres suavem
odorem spargant, bene oleant, cum contrarium obtinere soleat. Die oben
angegebene Konjektur hat d’Orville, ibid. vorgeschlagen.
3 S. oben S. 3, Anm. 1.
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Wir wissen aus früheren Beispielen1, daß für griechische Anschauung
Blumen darum Bilder des Lebens sind, weil in ihrem Duft der
lebendige Atem der Natur spürbar wird. So erklärt sich der Sinn
dieser frommen Wünsche, wie schon alte Kommentatoren gesehen
haben2, durch die Vorstellung, daß der Duft der aus den Leibern
der Toten aufwachsenden Blumen Zeichen ihrer Unverweslichkeit
ist. Wie man aus alten Sagen wußte, daß auf den Stätten, wo
Götterlieblinge wie Narkissos und Hyakinthos begraben lagen,
duftende Blumen zum Erweise ihres im Tode nicht begrabenen
Lebens wuchsen, so wünscht man das gleiche für die eigenen
geliebten Toten, als halte man in dem Atmen der blühenden Natur
ein Unterpfand des eigenen unvergänglichen Lebens. So ist das
Symbol des Duftes, in dem göttliches Leben sich offenbart, zurück-
geführt in das geheimnisvolle Leben der Natur, das alle mensch-
liche Vergänglichkeit überdauert, und dieses alte Bild aus der
Anschauung der immer neu lebendigen Blüte der Blumen, in deren
ausströmendem Dufte ihre Seele frei wird, zu neuer Form des
göttlichen Lebens entstanden. Für die griechische vitale Art der
Frömmigkeit, die in dem Lebenskreise dieser Erde ihr Genüge
findet, ist diese Naturdeutung des Duftsymbols ungemein be-
zeichnend; wie ,,diese Welt leiblich wahrnehmbarer Gott“ — um
das platonische Wort noch einmal anzuführen3 —, so der Tod und
Verwesung überwindende Duft ihrer Blumen der Duft der menschen-
eigenen Göttlichkeit.
Diese Anschauung ist nicht nur Volksglaube geblieben; Persius
.schreibt einmal (Sat. 1, 35ff.):
Adsensere viri: nunc non cinis ille poetae
Felix? Non levior cippus nunc imprimit ossa ?
Laudant convivae: nunc non e manibus illis
Nunc non e tumulo fortunataque favilla
nascentur violae ?
1 S. oben S. 6 Anm. 3.
2 d’Orville in seiner Ausgabe des Charito, ed. altera, Leipzig 1783,
p. 351: Non significant haec simpliciter quod saepe ominabuntur ut crescerent
in tumulo potius flores quam cardui et capriferi. Sed optat, ut cineres suavem
odorem spargant, bene oleant, cum contrarium obtinere soleat. Die oben
angegebene Konjektur hat d’Orville, ibid. vorgeschlagen.
3 S. oben S. 3, Anm. 1.