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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0028
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28

Ernst Lohmeyer:

Aber aus andern Gründen ist das Symbol hier erwachsen als in
der hellenischen Mythologie. War es dort die nach menschlicher
Analogie gedeutete leibliche Nähe des Gottes selbst, seine
sinnliche Lebendigkeit, die im Dufte sich kundgab, so ist es hier
der Duft der göttlichen Umgebung, eines erträumten alle Erden-
begriffe übersteigenden himmlischen Gartens. Nur als Wunder
einer göttlichen, von Erde und Natur entfernten Welt ist das Bild
des himmlischen Geruches hier erlebbar geworden, wenn gleich
zu beachten bleibt, daß der Gedanke mit den griechischen Anschau-
ungen vom Lande der Seligen sich nah berührt, ja vielleicht ihnen
ihren Ursprung verdankt1.
Der andere Grund, aus dem heraus das Duftsymbol im Juden-
tum lebendig geworden ist, ist die jüdische Opferanschauung2.
Jesus Sirach hatte in der angeführten Stelle, für uns zum ersten
Male, die Gedanken vom Opfer mit denen der göttlichen Epiphanie
im Wohlgeruch, in eine noch ferne Beziehung gebracht. Aber es
ist im Judentum nicht bei einem Vergleich zwischen Opfer- und
Gottesduft geblieben. In der Tobiaserzählung wird berichtet, wie
Tobias nach Anweisung des Engels Raphael den das Braut-
gemach belauernden Dämon durch ein Opfer vertreibt (8, 3f.):
οτε δέ ώσφράνΑη τό δαιμόνιον τής οσμής, έφυγεν εις τά άνώτατα
Αίγύπτου καί εδησεν δ άγγελος.
Hier ist es der Geruch des Fischopfers3, der den bösen Geist
abwehrt. Aber Dämonen Vertreibung liegt nicht in der Macht eines
menschlichen, sondern nur eines göttlichen Wesens. So muß der
Geruch des Opfers, der sich so mächtig erweist, göttlicher Art,
Zeichen göttlicher Kraft sein. Eine Anschauung bekundet sich
hier, die den Opferduft in engen Zusammenhang mit der Offen-
barung göttlichen Wirkens auf Erden bringt.

1 So Dieterich, Nekyia2, S. 33, Anm. 1; dagegen v. Dobschütz, Zeit-
schrift für Kulturgeschichte I, 1894, S. 344. Vgl. auch Böklen, Verwandt-
schaft der jüdisch-christlichen mit der parsischen Eschatologie, passim.
2 Der erste Anklang der Opfervorstellung in Griechenland begegnet bei
Pindar, s. oben S. 9.
3 Daß dieser Fisch ein Ungeheuer der Märchenphantasie — letzlich wohl
ein märchenhaft verwandeltes Abbild des urzeitlichen mythischen Ungeheuers
— ist, erklärt vielleicht zum teil die Kraft dieses Opfers, aber kaum die ganze
zu gründe liegende Anschauung.
 
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