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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0030
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30

Ernst Lohmeyer:

angenehm wäre“1. Diese gleichnisartige Wendung deutet auf die
seelischen Kräfte, die das Symbol des Gottesduftes auch im
Judentum lebendig machten2. In ihm lebt nicht das Bewußtsein
der sinnlich beglückenden Nähe einer göttlichen Leiblichkeit,
sondern das Bewußtsein von dem Walten eines in sittlichen Ge-
boten sich offenbarenden, selbst unfaßbaren, unbegreifbaren
Gottes. Nur das Außere des griechischen Bildes ist, aller Lebendig-
keit entkleidet, geblieben, der innere Gehalt ist der der jüdischen
Religiosität. Und wenn es sich dort um das große natürliche
Rätsel von Leben und Tod handelt, so hier um die sittlichen Gegen-
sätze von Sünde und Gnade. So ist aus dem sinnlich natürlichen
ein sittliches Symbol geworden.
Diese „Versittlichung“ des Duftsymbols wird noch deutlicher,
wenn wir die letzte, im Judentum freilich seltenere, menschliche
Deutung betrachten. Derselbe Jesus Sirach, der zuerst von dem
göttlichen Duft der „Weisheit“ spricht, läßt eben diese „Weisheit“
zu ihren „heiligen Kindern“ sprechen (39, 13f.):
είσακούσατέ μου, υιοί οσιοι, καί βλαστήσατε
ώς ρόδον φυόμενον επί ρεύματος άγροΰ,
καί ώς λίβανος εύωδί,άσατε οσμήν,
καί ανθήσατε άνθος ώς κρίνον,
διάδοτε οσμήν καί άινέσατε άσμα.
Das Bild ist, wie die Verbindung von Weihrauch und Blumen
deutlich zeigt, der Paradiesesvorstellung entnommen; und die
Mahnung selbst ist ja nur eine Vorwegnahme dessen für das dies-
seitige Leben, was in dem jenseitigen, im Paradiese Wirklichkeit
ist. Das Symbol umfaßt hier das Gesamte der menschlichen Hal-
tung vor Gott; was in dem „heiligen“ Menschen göttlich lebendig
ist, soll blühen und duften wie Rosen, Lilien3 und Weihrauch. So
ist das Bild, dem Himmel entnommen, dem Heiligen ein Vor-
zeichen des Himmels auf Erden. In anderen Zeugnissen ist es
ein spezielles Symbol für die Gerechtigkeit oder guten Taten der
1 Vgl. auch Test. Levi 3: οί άγγελοί είσι του προσώπου Κυρίου .
προσφερόμενοι δέ Κυρίω οσμήν εύοΑίας λογικήν καί άναίμακτον προσφοράν.
2 Mit dem Eindringen des hellenischen Symbols in jüdische Frömmig-
keit wird es Zusammenhängen, daß überhaupt nach spät jüdischer Anschauung
der Wert des Opfers in dem Gott wohlgefälligen Dufte besteht; vgl. Schmitz,
a. a. O. S. 76. Man kann diese Vorstellung daher nicht ohne weiteres, wie
Schmitz zu tun scheint, als eine Vergeistigung des Opfergedankens deuten.
3 Zur Erwähnung gerade der Rosen und Lilien s. oben S. 10.
 
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