Metadaten

Brie, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 3. Abhandlung): Exotismus der Sinne: eine Studie zur Psychologie der Romantik — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37770#0017
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Exotismüs der Sinne.

17

Erst die Romantik erweckte mit ihrem! Sinn für das Ursprüng-
liche, Bunte und Wunderbare auch zugleich den Sinn für die ver-
gangenen und fremden Kulturen. So kommt es, daß die Ent-
stehung und Entfaltung des Exotismus erst in moderner Zeit vor
sich geht. In dieser haben wir ihn als ein dauerndes psychisches
Phänomen anzusehen, mit dessen Fortleben innerhalb der Lite-
ratur wir auch in Zukunft zu rechnen haben werden. Mit der
erweiterten Kenntnis von Antike und Orient innerhalb der Mo-
derne macht sich bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts hinein
eine verstärkte Sehnsucht mach diesen Welten geltend. Sie wird
gewiß zeitweise vor anderen Bedürfnissen und Regungen wieder
zurücktreten, aber es ist wenig wahrscheinlich, daß eine Er-
scheinung wie 'die Sehnsucht des Abendlandes nach dem Orient,
nachdem sie einmal der Menschheit zumi Bewußtsein gekommen
ist, je wieder ganz: daraus verschwinden sollte.
II.
Im folgenden wird es sich darum handeln, das Wesen
und das Aufkommen des Exotismus innerhalb- der Weltlite-
ratur so weit zu verfolgen, als zur Erklärung der mannig-
faltigen 'damit verbundenen Erscheinungen und Probleme notwen-
dig erscheint. Eine Betrachtung der Entstehung des Exotismus
lehrt, daß es sich dabei um ein selbständiges, fast gleichzeitiges
Vorhandensein desselben psychischen Phänomens bei einer größe-
ren Anzahl von Geistern handelt, die sich im- übrigen oft stark
von einander unterscheiden, 'und daß dem Einfluß -des einen auf
den andern bei der Entwicklung nur eine untergeordnete Rolle
zukommt. Im großen and ganzen spielt s-ich der. Prozeß
der Entwicklung innerhalb der englischen und französischen
Literatur ab. Der geringe Anteil, den Deutschland an der Er-
scheinung hat, ist eine der auffallendsten Tatsachen, um so
auffallender, als Deutschland in Heinse einen der frühesten und
ausgesprochensten Vertreter von Exotismus aufzuweisen hat.
Sieht man aber von der eigenartigen Verherrlichung der Antike
und Renaissance bei Heinse und von einigen leisen An-
zeichen bei kleine und E. Th.. Hoff mann ab, so sind Spuren
von Exotismus innerhalb der deutschen Literatur, auch ge-
rade innerhalb der Romantik, kaum zu entdecken. Erst die
letzten Jahrzehnte haben, vor allein auf dem Umweg über Frank-
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1920. 3. Abh.

2
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften