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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0043
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

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und ohne erbliches Oberhaupt ist, kennt noch Spiele, die an die
ehemalige Verbindung erinnern1.
Z. B.: ,,Chumm mer wellend gon wanderen
Von einer Stadt zur anderen
Und wenn der Kaiser Chünig chunnt
So cherend mer wider um“2.
Manche mögen wohl auch deshalb sich dort noch gehalten
haben, weil sie gemeindeutscher Kulturbesitz sind, wie z. B. das
Spiel ,,des Königs Töchterlein“3, in dem eine Prinzessin befreit
wird, oder ,,Herr König, ich diente gern“, in dem ein ganzer Hof-
staat, Dienerschaft und ein Scharfrichter dem König zu Gebote
stehen4. Es ist übrigens bezeichnend, daß dieses Spiel in der Schweiz
bereits den Namen des Königsspiels verliert und gewöhnlich ‘Hand-
werkerligs’ genannt wird. Ebenso wird auch das Ballspiel fchün-
gen’5, in dem es um die Königswürde geht, in anderer Gegend
‘Landammann’ genannt6 oder auch ‘Schultheissen-Stechen’,
‘Schultheissen-Ballen’7. Daneben haben die Schweizer Kin-
der noch ein Ballspiel, in dem der Herr Präsident vorkommt,
allerdings anscheinend nur des Reimes auf ‘Händ’ wegen8. Daß
1 Wie ja auch sonst die Erinnerung an das „Reich“ nicht erloschen ist.
Vgl. z. B. „Reich“ das heute noch in der Bedeutung „öffentliches Eigentum“
vorkommt. SchweizJd. 6’ 154: einst auch schwäbisch: SchwäbWB. 5, 250.
2 Schweiz. Idiotikon 3, 327.
3 Ebd. Ferner Rochholz, Alem. Kinderlied, 410f. Böhme, Kinder-
lied, 457ff. Möllenhoff, Schlesw. Sagen und Märchen, 391 ff., stellt dieses
Spiel zum Märchen von der Jungfrau Malene. A. de Cock, Iiet spei van de
koningsdochter, Volkskunde 15 (Gent 1918), 1 ff., sieht darin einen Frauen-
raub. Triebnigg, Kinderspiel in der schwäbischen Türkei, ZVk. 26 (1916),
203f. „King Kaisers Töchterlein“.
4 Rochholz, Alemannisches Kinderlied, 434ff. Böhme, Kinderlied, 654.
Bolte, ZVk. 19 (1909), 406. Es hat sein antikes Vorbild (ßa^iTdvSa). Vgl.
Böhme, Antike Kinderspiele 155. F. E. Lehmann, De jure ludendi (praeside
J. V. Bechmann), Jena 1668, II, § 9 . . . ludus basilinda . . quo per sortem fit
rex et minister, et ilbs huic laboriosum quid imperat, quod Germanice forsan
posset dici das König schlagen, des Königs spielen, ubi rex per certum manuum
numerum eligitur.
5 Rochholz, 389f. SchwäbWB. 4, 604 (Königsballen).
6 Schweiz Jd. 4, 249.
7 SchwäbWB. 5, 1188, vgl. Anm. 5.
8 Schweiz Jd. 5, 7 83 f. ,,Der Herr Präsident
wäscht seine Händ“ usw.
In anderen deutschen Gauen sagen die Kinder:
„Armer Student wäscht seine Händ“ usw.
 
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