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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0045
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

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Festlichkeiten und Gelage, die in den Städten gehalten wurden,
wenn der Kaiser anwesend war, sei es zu einem Reichstag oder zu
Wahl, Krönung1 oder aus anderem Anlaß. Bisweilen sind in einem
Spiel Kaiser und König nebeneinander, z. B. im schwäbischen
Häsleinspiel2. Die Kinder wählen Kaiser und König; beide müssen
eine Stange an den Enden halten und eines ums andere schlüpft
durch, wobei jedesmal das letzte angehalten und gefragt wird,
ob es zum Kaiser und König gehen wolle. Welcher von beiden
mehr Leute bekommt, ist Sieger. Auch der oben angeführte
Auszählreim hat Kaiser und König nebeneinander. Ebenso das
schweizerische Liedchen beim chüngen. Im Märchen wird der
Unterschied zwischen Kaiser und König drastisch dargestellt: der
Thron wird noch um zwei Meilen erhöht, die Krone ist aus einem
großen Stück Gold3.
In einem Tanzliedchen wird der „stolze König“ angesungen
und umtanzt4; im Gesellschaftsspiel „der verdrießliche König“
bekommt er von seinen „Untertanen“ unangenehme Wahrheiten
zu hören5; im Haschespiel „König, ich bin in deinem Land“ hat
er sein Gebiet zu verteidigen6. Auch in anderen Spielen tritt ein
König auf. So erwähnt der kurfürstlich pfälzische Kämmerer
Christoph von Dohna (um die Wende des 16. und 17. Jhd.s) ein
Spiel: König alter, wo sol ich mich hinbehalten ? und ein anderes:
den König verstecken7.
1 Vgl. Sieber, Volksbelustigungen bei Kaiserkrönungen, ArchFrankfG.
11 1913), 1 ff.
2 Schwab WB. 3, 1247.
3 Vgl. Bühler, Das Märchen in der Phantasie des Kindes ,72.
4 Stolzer König, stolzer König,
Warum tust du prahlen?
Sieh dich um und schau dich um
Was ist dein Verlangen?
Suche dir ein Engelein
Setz es auf dein Knieelein
Dann noch gib ihm einen Kuss
Weil es von dir scheiden muss.
Böhme, Kinderlied, S. 486, Nr. 219. Böhme, Geschichte des Tanzes in
Deutschland 1 (1886), 308.
5 Böhme, Kinderlied, S. 638. Das Spiel heißt anderwärts Moquierstuhl.
6 Siehe unten S. 60 Anm. 1.
7 Bolte, ZVk. 19 (1909), 391. John Meier, ZKulturg.4 3(1896), 121.
Das Versteckenspiel „Kapinkel“ (Böhme, Kinderlied, S. 629) habe ich in
Ettlingen (Baden) 1918 mit der Formel „Kaiser, wie viel Schritte schenkst
du mir?“ spielen gesehen.
 
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