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F. Boll:
nicht ab. Euripides hat in einem Chorhed, das der reinen Gestalt
des Anaxagoras galt, damit begonnen:
Glückselig, dem ward des Erkennens Besitz,
Der keinem Mitbürger Kränkendes tat,
Noch zu frevelndem Unrecht sich vorgedrängt:
Nein, sinnend beschaut des unsterblichen Alls
Nie alternde Ordnung, auf welchem Weg
Und auf welche Art und woher sie entstand.
Der so ist, niemals wird sich ins Herz
Ein schmähliches Trachten ihm schleichen.
Dem Begründer der Atomlehre und größten Naturforscher
der Griechen, Demokrit, stammen die großen Freuden aus der
Betrachtung der schönen Werke, d. h. der Natur5 und er will
lieber einen einzigen Beweis finden, als den Perserthron gewinnen.
Die Ethik des Aristoteles findet ihren krönenden Abschluß in
jener Untersuchung der Güter des Lebens, von der ich zu Anfang-
gesprochen habe. Der Philosoph, dem die Gemeinschaft etwas
naturgegebenes und der Mensch von Natur ein staatliches Wesen
ist, denkt nicht daran, den Einzelnen außerhalb des Staates zu
stellen. Aber die vollkommene Glückseligkeit kann nur die
Betätigung des Göttlichsten in uns sein, das unter allen sterblichen
Wesen dem Menschen allein eigen und darum zugleich das Mensch-
lichste ist. Dies Göttlichste ist die Vernunft. So ist die Freude,
die sie zu geben vermag, die freudigste, dauernder als jede, die aus
dem Handeln entspringt; sie ist sich selbst völlig genug. Ein
solches Leben, sagt Aristoteles, ist höher als das eines Menschen;
auch die Gottheit selbst hat ihre Seligkeit nur an der Muße und am
reinen Erkennen. Es sind Töne, die durch Giceros uns verlorenen
Dialog ,,Hortensius“ zu Augustin weiterklingen: „Wenn wir nach
dem Scheiden aus diesem Erdensein ein unsterbliches Leben auf
den Inseln der Seligen führen dürften, wie die Mythen erzählen,
so hätten dort alle Kardinaltugenden, Tapferkeit, Gerechtigkeit,
Mäßigkeit, Klugheit keinen Sinn mehr; wir wären dort glücklich
allein durch das Anschauen der Natur und das Erkennen, das einzig
auch am Leben der Götter zu preisen ist“.
Selbst Epikurs nur halb wissenschaftliche Lehre, die wieder
auf andere Art die Götter nach dem Urbild des irdischen Weisen
formt, vermag den großen Dichter des Weltalls, Lukrez, zu gran-
diosen Versen über das einzig echte Glück in den heiteren Tempeln
F. Boll:
nicht ab. Euripides hat in einem Chorhed, das der reinen Gestalt
des Anaxagoras galt, damit begonnen:
Glückselig, dem ward des Erkennens Besitz,
Der keinem Mitbürger Kränkendes tat,
Noch zu frevelndem Unrecht sich vorgedrängt:
Nein, sinnend beschaut des unsterblichen Alls
Nie alternde Ordnung, auf welchem Weg
Und auf welche Art und woher sie entstand.
Der so ist, niemals wird sich ins Herz
Ein schmähliches Trachten ihm schleichen.
Dem Begründer der Atomlehre und größten Naturforscher
der Griechen, Demokrit, stammen die großen Freuden aus der
Betrachtung der schönen Werke, d. h. der Natur5 und er will
lieber einen einzigen Beweis finden, als den Perserthron gewinnen.
Die Ethik des Aristoteles findet ihren krönenden Abschluß in
jener Untersuchung der Güter des Lebens, von der ich zu Anfang-
gesprochen habe. Der Philosoph, dem die Gemeinschaft etwas
naturgegebenes und der Mensch von Natur ein staatliches Wesen
ist, denkt nicht daran, den Einzelnen außerhalb des Staates zu
stellen. Aber die vollkommene Glückseligkeit kann nur die
Betätigung des Göttlichsten in uns sein, das unter allen sterblichen
Wesen dem Menschen allein eigen und darum zugleich das Mensch-
lichste ist. Dies Göttlichste ist die Vernunft. So ist die Freude,
die sie zu geben vermag, die freudigste, dauernder als jede, die aus
dem Handeln entspringt; sie ist sich selbst völlig genug. Ein
solches Leben, sagt Aristoteles, ist höher als das eines Menschen;
auch die Gottheit selbst hat ihre Seligkeit nur an der Muße und am
reinen Erkennen. Es sind Töne, die durch Giceros uns verlorenen
Dialog ,,Hortensius“ zu Augustin weiterklingen: „Wenn wir nach
dem Scheiden aus diesem Erdensein ein unsterbliches Leben auf
den Inseln der Seligen führen dürften, wie die Mythen erzählen,
so hätten dort alle Kardinaltugenden, Tapferkeit, Gerechtigkeit,
Mäßigkeit, Klugheit keinen Sinn mehr; wir wären dort glücklich
allein durch das Anschauen der Natur und das Erkennen, das einzig
auch am Leben der Götter zu preisen ist“.
Selbst Epikurs nur halb wissenschaftliche Lehre, die wieder
auf andere Art die Götter nach dem Urbild des irdischen Weisen
formt, vermag den großen Dichter des Weltalls, Lukrez, zu gran-
diosen Versen über das einzig echte Glück in den heiteren Tempeln