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H. v. Schubert und K. Meissinger:
18 ff. IV, 587 ff.), zeigen eine bunte Mischung von Gelehrsamkeit und
Popularität, Aufzeichnungen sehr verschiedener Art, die deutschen,
1520/21 a prandio in coenobio Augustiniano gehaltenen sind schon
von anderem Charakter (W. A. IX, 521 ff., vgl. 323) —, manche
Predigten waren selbst reformatorische Taten ohne erkennbare
Anlehnung an einen Text, wie der „von der Kraft des Banns“,
aber daneben wirkte der Zwang, durch gründliche fortlaufende
Exegese nicht nur die eigene Vorbereitung zu unterbauen,
sondern auch die Gemeinde jedenfalls nach ihrem gebildeten
und geförderten Teil aufzuerbauen. In den von Poliander
gesammelten Predigten aus den Jahren 1519 — 21 haben wir das
beste Beispiel (W. A. IX, 314 — 676). Luther hatte sich entschlos-
sen, in zwei nebeneinander laufenden Reihen Genesis und Matthäus,
also die Anfangsbücher des alten und neuen Testaments zu behan-
deln, was sich wie ein Ansatz zu einer kursorischen Interpretation
der Gesamtschrift nach dem Vorgang manches Kirchenvaters aus-
nimmt. Die zweite Reihe hinkte hinterdrein, mit der Genesis
kam er bis Kapitel 32, als die Reise nach Worms ihn abrief. Und
zu diesen Predigten besitzen wir scholia in Genesim in derselben
Handschrift überliefert, gewiß nicht, wie der Herausgeber E. Thiele
meint, „Bearbeitungen der Genesispredigten“, sondern wissen-
schaftlich exegetische Vorstudien, die Luther in engerem Kreise
vortrug, bezw. diktierte, und die Agricola, Melanchthon und Poli-
ander nachschrieben, vgl. Melanchthon an Spalatin: Diligenter
cepimus D. Martini dictata tibi notare Isleben et ego, et spero,
bonum habebimus una nos omnes in illo librum. Primum iam
explendescet argumentum (21. V. 1519, Corp. Ref. I, 82), vgl. auch
die von Thiele herausgehobene Randbemerkung Bl. 28: arborem
vitae transivit Martinus, eine Bemerkung, die sich jedenfalls am
besten erklärt, wenn man es mit einer Textbehandlung zu tun
hat, an die man die Maßstäbe wissenschaftlicher Genauigkeit anlegte1.
Luther hat über einzelne Psalmen, über einzelne Kapitel und
Kapitelgruppen und auch über ganze Bücher gepredigt (1523/24
über I. Petr., 1524 über II. Petr, und Judas, 1525 über 1. Tim.,
1528/9 über die 5 Bücher Mosis), und er hat damit in größere Zu-
sammenhänge, in ein tieferes Verständnis des Textes einführen
wollen, das über die einfache Erbauung bereits hinausführte. Er
1 Daß dies wohl die von Luther später erwähnte wissenschaftliche
Arbeit an der Genesis ist, darüber s. unten S. 9.
H. v. Schubert und K. Meissinger:
18 ff. IV, 587 ff.), zeigen eine bunte Mischung von Gelehrsamkeit und
Popularität, Aufzeichnungen sehr verschiedener Art, die deutschen,
1520/21 a prandio in coenobio Augustiniano gehaltenen sind schon
von anderem Charakter (W. A. IX, 521 ff., vgl. 323) —, manche
Predigten waren selbst reformatorische Taten ohne erkennbare
Anlehnung an einen Text, wie der „von der Kraft des Banns“,
aber daneben wirkte der Zwang, durch gründliche fortlaufende
Exegese nicht nur die eigene Vorbereitung zu unterbauen,
sondern auch die Gemeinde jedenfalls nach ihrem gebildeten
und geförderten Teil aufzuerbauen. In den von Poliander
gesammelten Predigten aus den Jahren 1519 — 21 haben wir das
beste Beispiel (W. A. IX, 314 — 676). Luther hatte sich entschlos-
sen, in zwei nebeneinander laufenden Reihen Genesis und Matthäus,
also die Anfangsbücher des alten und neuen Testaments zu behan-
deln, was sich wie ein Ansatz zu einer kursorischen Interpretation
der Gesamtschrift nach dem Vorgang manches Kirchenvaters aus-
nimmt. Die zweite Reihe hinkte hinterdrein, mit der Genesis
kam er bis Kapitel 32, als die Reise nach Worms ihn abrief. Und
zu diesen Predigten besitzen wir scholia in Genesim in derselben
Handschrift überliefert, gewiß nicht, wie der Herausgeber E. Thiele
meint, „Bearbeitungen der Genesispredigten“, sondern wissen-
schaftlich exegetische Vorstudien, die Luther in engerem Kreise
vortrug, bezw. diktierte, und die Agricola, Melanchthon und Poli-
ander nachschrieben, vgl. Melanchthon an Spalatin: Diligenter
cepimus D. Martini dictata tibi notare Isleben et ego, et spero,
bonum habebimus una nos omnes in illo librum. Primum iam
explendescet argumentum (21. V. 1519, Corp. Ref. I, 82), vgl. auch
die von Thiele herausgehobene Randbemerkung Bl. 28: arborem
vitae transivit Martinus, eine Bemerkung, die sich jedenfalls am
besten erklärt, wenn man es mit einer Textbehandlung zu tun
hat, an die man die Maßstäbe wissenschaftlicher Genauigkeit anlegte1.
Luther hat über einzelne Psalmen, über einzelne Kapitel und
Kapitelgruppen und auch über ganze Bücher gepredigt (1523/24
über I. Petr., 1524 über II. Petr, und Judas, 1525 über 1. Tim.,
1528/9 über die 5 Bücher Mosis), und er hat damit in größere Zu-
sammenhänge, in ein tieferes Verständnis des Textes einführen
wollen, das über die einfache Erbauung bereits hinausführte. Er
1 Daß dies wohl die von Luther später erwähnte wissenschaftliche
Arbeit an der Genesis ist, darüber s. unten S. 9.