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H. v. Schubert und K. Meissinger:
Luthers bezeichnet. Die Tageszeit hat gewechselt: um 1517 las
er von 1—2, entgegen der Klosterordnung und dem Statut von
1508, da er von 6 — 7 hätte lesen sollen1, den Titusbrief 1527 und
wohl auch den Timotheusbrief von 9 —102, 1542 Genesis von 3 — 43 *.
Es bleibt noch ein Wort über Luthers Vorlesungstechnik
zu sagen:
Sie begann bei den Präparationen, denn man muß die Vor-
bereitung anders anlegen, wenn man einen Wortlaut diktieren, als
wenn man frei vortragen will. Aber da sie eben abhängig ist von
der Art der Darbietung, nimmt man am besten von dieser den
Ausgang. Für die älteste Zeit, bis 1518, die Zeit also, da der Pro-
fessor sich überhaupt erst langsam von den alten Denk- und
Lebensformen löste, gewinnen wir durch das vollständige Kolleg-
heft der ersten Galaterbriefvorlesung ein deutliches Bild. Ich kann
auf S. IX ff. meiner Einleitung verweisen. Luther gab den Studen-
ten den gedruckten Text mit weiten Spatien in die Hand und
diktierte eine doppelte Auslegung in Glosse — Interlinear- und
Marginalglosse — und Scholien, diese auf hinten eingeheftete
Blätter, und zwar offenbar, was auch der Zweckmäßigkeit allein
entsprach, Glosse und Scholien zu dem einzelnen Stück immer
gleich hintereinander (vgl. die Glosse S. 154 und Scholion S. 50).
Der Diktatcharakter der ersten Vorlesungen ist auch durch W. A.
II, 33ff völlig festgestellt, und die Kombination von Glosse und
Scholion durch das Zwickauer Kollegfragment des Römerbriefs,
das Meissinger S. 16 beschreibt und das ,,Partien aus den Scholien
in die Glosse eingestreut“ zeigt, also anders als in dem Galater-
briefheft. Dabei diktierte er, namentlich die Schriftzitate, so
schnell, daß der Zuhörer Mühe hatte, mitzukommen, Worte vor-
läufig ausließ, nachbesserte, überschrieb oder abkürzte. Um so
1 Köstlin-Kawerau5 I, 108. Kurf. Visitationsakten bei Seckendorf,
Hist. Lutheranismi I, 19, vgl. die constit. fratr. c. 36 in: Luthers erste und
älteste Vorlesungen über die Psalmen, herausgegeben von Seidemann 1876,
I, p. XI, dazu Wittenb. Univ.- u. Fak.-Statuten, ed Muther, 1867, p. 22.
2 Enders VI 45; Rörer an Roth v. 14. Dez. 1527 bei Buchwald, Zur
Wittenberger Universitäts- und Stadtgeschichte S. 17; Freitag in W. A.
XXVI, 3.
3 Bechius an Myconius v. 27. Mai bei Ivolde, Anal. Luther., S. 381,
Köstlin-Kawerau5 II, 690. Tischr. 4959 (4593) meint er, daß er, wenn er
nicht mehr lese, quotidie mane-tres horas legere et scribere könne.
H. v. Schubert und K. Meissinger:
Luthers bezeichnet. Die Tageszeit hat gewechselt: um 1517 las
er von 1—2, entgegen der Klosterordnung und dem Statut von
1508, da er von 6 — 7 hätte lesen sollen1, den Titusbrief 1527 und
wohl auch den Timotheusbrief von 9 —102, 1542 Genesis von 3 — 43 *.
Es bleibt noch ein Wort über Luthers Vorlesungstechnik
zu sagen:
Sie begann bei den Präparationen, denn man muß die Vor-
bereitung anders anlegen, wenn man einen Wortlaut diktieren, als
wenn man frei vortragen will. Aber da sie eben abhängig ist von
der Art der Darbietung, nimmt man am besten von dieser den
Ausgang. Für die älteste Zeit, bis 1518, die Zeit also, da der Pro-
fessor sich überhaupt erst langsam von den alten Denk- und
Lebensformen löste, gewinnen wir durch das vollständige Kolleg-
heft der ersten Galaterbriefvorlesung ein deutliches Bild. Ich kann
auf S. IX ff. meiner Einleitung verweisen. Luther gab den Studen-
ten den gedruckten Text mit weiten Spatien in die Hand und
diktierte eine doppelte Auslegung in Glosse — Interlinear- und
Marginalglosse — und Scholien, diese auf hinten eingeheftete
Blätter, und zwar offenbar, was auch der Zweckmäßigkeit allein
entsprach, Glosse und Scholien zu dem einzelnen Stück immer
gleich hintereinander (vgl. die Glosse S. 154 und Scholion S. 50).
Der Diktatcharakter der ersten Vorlesungen ist auch durch W. A.
II, 33ff völlig festgestellt, und die Kombination von Glosse und
Scholion durch das Zwickauer Kollegfragment des Römerbriefs,
das Meissinger S. 16 beschreibt und das ,,Partien aus den Scholien
in die Glosse eingestreut“ zeigt, also anders als in dem Galater-
briefheft. Dabei diktierte er, namentlich die Schriftzitate, so
schnell, daß der Zuhörer Mühe hatte, mitzukommen, Worte vor-
läufig ausließ, nachbesserte, überschrieb oder abkürzte. Um so
1 Köstlin-Kawerau5 I, 108. Kurf. Visitationsakten bei Seckendorf,
Hist. Lutheranismi I, 19, vgl. die constit. fratr. c. 36 in: Luthers erste und
älteste Vorlesungen über die Psalmen, herausgegeben von Seidemann 1876,
I, p. XI, dazu Wittenb. Univ.- u. Fak.-Statuten, ed Muther, 1867, p. 22.
2 Enders VI 45; Rörer an Roth v. 14. Dez. 1527 bei Buchwald, Zur
Wittenberger Universitäts- und Stadtgeschichte S. 17; Freitag in W. A.
XXVI, 3.
3 Bechius an Myconius v. 27. Mai bei Ivolde, Anal. Luther., S. 381,
Köstlin-Kawerau5 II, 690. Tischr. 4959 (4593) meint er, daß er, wenn er
nicht mehr lese, quotidie mane-tres horas legere et scribere könne.