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Friedrich; Obser, Karl [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 1. Abhandlung): Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden: 1826 - 1847 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37792#0015
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Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden. VII
liier bin“1. Dankbar gedenkt er dabei vor allem des Hauses Metter-
nich und des Erzherzogs Karl. In den Salons der kunstsinnigen Für-
stin, die sich der badischen Prinzen mit mütterlicher Liebe annimmt,
tritt er in Berührung mit der Aristokratie der Geburt und des
Geistes, den namhaftesten Vertretern des vormärzlichen öster-
reichischen Staatswesens; der alte Staatskanzler selbst übernimmt
gelegentlich die Rolle des politischen Lehrmeisters und würdigt ihn
vertraulicher Mitteilungen aus dem Schatz seiner Erfahrungen.
Ein anders gerichteter, vorwiegend aus hervorragenden Militärs
zusammengesetzter und wegen seiner freimütigen Kritik von der
Regierung beargwöhnter Kreis, in dem er, mit Vorliebe verweilend,
mannigfache Belehrung findet, erschließt sich dem Prinzen in der
Umgebung des von ihm allezeit hochverehrten greisen Erzherzogs
Karl, der den Enkel Karl Friedrichs mit besonderer Gunst aus-
zeichnet, ohne ihn freilich für das österreichische Heer gewinnen zu
können.
Sein Gesichtskreis — darin liegt der Hauptgewinn dieser
Wiener Zeit —-• erweitert sich, er lernt sich in der Öffentlichkeit
sicher bewegen, lernt, wie die eingehende, freier und lebendiger
werdende Schilderung zeigt, aufmerksam beobachten, auch bis auf
äußerliche Einzelheiten. Sein Wesen festigt, sein Urteil bildet und
schärft sich. Die schimmernde Oberfläche des Lebens vermag ihn
über die sittliche Fäulnis, die die oberen Schichten der Gesellschaft
häufig durchzieht und seinem kindlich unverdorbenen Sinn wider-
strebt, und die Nichtigkeit ihres Tuns nicht zu täuschen. LTnd
ebensowenig entgeht ihm die innere Schwäche des Metternichschen
Systems, auf dessen Zusammenbruch sturmkündende Anzeichen
schon bedrohlich hinweisen, bleiben ihm die Mißstände und Mängel
in der Staatsverwaltung und im Heerwesen verborgen, die ihm früh
für das Verderbliche aller Protektionswirtschaft die Augen öffnen.
Seine Persönlichkeit hinterläßt, wie uns berichtet wird, allenthalben
günstige Eindrücke, ,,das gütevolle, herzliche Wesen, das aus all
seinen Zügen jeden so freundlich ansieht“, erwirbt ihm allgemeine
Sympathien.
Wir besitzen aus diesen Monaten eine für die Beurteilung des
Prinzen überaus wertvolle Charakteristik von zuständiger Seite.
,,Prinz Friedrich — so schreibt sein militärischer Begleiter und
Mentor, Major v. Hinckeldey — wird ein sehr ausgezeichneter junger

1 An Alexandrine, 16. Mai 1843.
 
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