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Friedrich; Obser, Karl [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 1. Abhandlung): Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden: 1826 - 1847 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37792#0020
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Karl Obser:

XII
dabei aufdrängen. Zugleich sucht er sich mehr und mehr über die
Verhältnisse im Lande zu unterrichten und im Verkehr mit der
Bevölkerung, den Landständen und den Ministern ein Urteil über
die öffentliche Meinung und die allgemeinen Bedürfnisse zu
gewinnen. Die Ideen, von denen die jüngere Generation vornehm-
lich erfüllt ist, werden auch in ihm lebendig; in seinen politischen
Anschauungen, soweit man nach spärlichen brieflichen Äußerungen
von einer bestimmten Färbung schon reden darf, scheint er einem
gemäßigten Liberalismus am nächsten verwandt. Er überzeugt sich
von der Notwendigkeit von Deformen im Innern, aber die Initiative
dazu muß — das ist für ihn selbstverständlich — von der Regierung
ausgehen. Es ist immer von Übel, „wenn man nicht zur rechten Zeit
versteht, dasjenige zu geben und ungezwungen anzuordnen, was
die Verhältnisse erfordern“, sondern ,,abwartet und verschiebt bis
endlich der Zwang eintritt“. Gerade dieses Verständnis vermißt er
aber bei der badischen Regierung; der „trostlos schleichende Gang“
der Geschäfte beelendet ihn. „Schon seit Jahren“ bekennt er ein-
mal rückblickend der Schwester Alexandrine1, habe er sich mit der
inneren Politik der Regierung beinahe stets in Widerspruch be-
funden. Er scheut sich auch, wie wir wissen, niemals, mit seiner
entgegengesetzten Meinung ,,ganz offen an den Tag zu treten“,
unbekümmert, ob der Mahner als „lästige Figur im Spiel“ ange-
sehen wird. Daß ihm dadurch auch dem Vater gegenüber manche
Schwierigkeiten erwachsen sind, hat er in seinen Aufzeichnungen
selbst angedeutet. Es liegt eine gewisse Tragik darin, daß er den
Dingen ihren Lauf lassen muß, daß seine Warnungen ungehört
verhallen. Die Ereignisse von 1848 — 49 sollten zeigen, daß er
richtig gesehen hatte.
Über die engeren Verhältnisse der badischen Heimat hinaus ist
sein Blick aber frühzeitig auch auf das große Ganze gerichtet, be-
schäftigt ihn, den Schüler Ludwig Häussers, schon seit den Heidelber-
ger Tagen die Lösung des nationalen Grundproblems, beseelt auch
sein jugendliches Empfinden der Wunsch nach Einigung, nach Zu-
sammenfassung der deutschen Volkskraft, denn „ohne diese sind
wir nicht fähig, auch nur das Geringste zu leisten“. Darum er-
scheint ihm eine Reform des deutschen Bundes unabweisliches Be-
dürfnis, hält er alle Versuche, die darauf gerichtete elementare Be-
wegung zurückzudrängen oder zu unterdrücken, für verhängnisvoll

1 An Alexandrine, 30. Nov. 1849.
 
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