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Sillib, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 3. Abhandlung): Zur Geschichte der großen Heidelberger (Manesseschen) Liederhandschrift und anderer Pfälzer Handschriften — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37798#0020
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Rudolf Sillib:

Heimat entleihen zu dürfen sich erbat, so hatten vielleicht schon
seine Ahnen aus ähnlichen Gründen die für ihr Geschlecht bedeut-
same Handschrift erworben. Ein eigentümliches Spiel, nicht des
Zufalls, sondern ähnlicher Neigungen hätten so Ahnen und Nach-
kommen unserer Handschrift nahe gebracht. Mit der gleichen
Kühnheit, die die Hohensax sich als Familientugend erkoren, über-
springen wir die Klippen unserer Hypothese und versuchen das
Bild Heinrichs von Sax, wohl der seltsamsten Darstellung in unserer
Handschrift, zu deuten; gleichzeitig liefern wir damit noch einen
Beitrag zu der noch sehr weiterer Aufklärung bedürfenden Ikono-
graphie der Handschrift.
Das Bild (fol. 59b) zeigt den Minnesänger Heinrich von Sax
auf einer Mauer auf den Fußspitzen von einer Zinne zur anderen
springend; im rundbogigen Tor der Mauer steht eine Dame mit
blond herabwallenden Focken, einen vor ihr stehenden Steinbock
am Kopfe haltend und liebkosend. Das Bild, das schon von der
Hagen „sonderbar“ gefunden und dessen männliche Person von
Oechelhaeuser als „seiner Persönlichkeit nach als einen leider
nicht näher zu bestimmenden Sänger“35 angesehen hat, ist zu-
nächst freilich seltsam genug. Man könnte dabei etwa an den
Steinbock als Tierkreisbild denken oder auch an eine der Jungfrau
mit dem Einhorn verwandte Darstellung, auch an den Steinbock
als Wappentier der raetischen Heimat der Hohensax. Indessen die
Erklärung liegt näher. Die Komposition in gewisser Abhängigkeit
vom Deich Heinrichs von Sax stehend, in dessen Vers 25 es heißt:
„ich tanze ich springe e das mir lieb von ir geschäht,“ spielt un-
zweideutig auf den Namen des Sängers an. Wie der Steinbock,
der sichere Springer des Hochgebirgs von Fels zu Fels eilt, ebenso
beweisen auch die Hohensax vor keiner Schwierigkeit zurück-
weichend ihre Kühnheit. Auf unserem Bild verkörpert der Mann
die Kühnheit, die Frau hegt das Tier, als Symbol des Geschlechts.
Vielleicht liegt irgendeine Familiensage zugrunde. Eine bemerkens-
werte Aufklärung für unsere Deutung enthält das „Verzeichnuss
wyland des wolgebornen herren herren Johann Philippsen Fryherrn
zu Hohen Sax verlassenschafft beschriben den 17. und 18. May anno
1596“. Unter anderem ist hier unter den Silberkleinodien genannt
ein 120 Fot schwerer „grosser vergülter steinbock. Da zeigt die
frouw an, das Jr. G. der selbig zuo halbenn theil geschenkt worden
syge“J6. War der Steinbock auch nicht im Wappen derer von
Hohensax festgehalten, symbolische Bedeutung für das Geschlecht
hatte er unverkennbar.
 
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