22
Julius Ruska:
haben, nicht die einfachste Erklärung bieten? Wir wissen, welche
Rolle die Juden im islamischen Orient wie im christlichen Occi-
dent unter den Ärzten und gelehrten Übersetzern gespielt haben.
Sie sind überall die Vermittler gelehrten Wissens zwischen den
Völkern verschiedener Sprachen und Religionen gewesen. Es
würde sich nur darum handeln, von einer unanfechtbaren ge-
schichtlichen Tatsache auf den vorliegenden Einzelfall zu schließen
und den positiven Nachweis der Übertragung zu führen. Medizin-
historikern, denen die hebräischen und lateinischen Quellen besser
bekannt sind als mir, wird es nicht schwer fallen, den Gedanken
weiter zu verfolgen und die von mir geäußerte Vermutung zur
Gewißheit zu erheben.
In seinem Buch über die hellenistischen Mysterienreligionen
hat R. Reitzinstein (S. 51, 2. Aufl. 1920) über die Wort-
geschichte eine beherzigenswerte Bemerkung gemacht: ,,Die Wort-
geschichte, wenn sie sich zu einer Geschichte der Begriffe vertieft,
kann uns noch immer reichen Aufschluß über Probleme geben,
denen wir auf keinem anderen V7ege nahekommen können; frei-
lich ist wohl auf keinem Gebiet ein einträchtiges Zusammenwirken
der Theologie und der verschiedenen Philologien so notwendig
wie auf dem einer derartigen Geschichte der religiösen Sprache.“
Man muß nur das Wort Theologie durch Medizin oder Natur-
wissenschaft ersetzen, um die gleiche Sachlage für diese Gebiete
festzustellen. Man braucht dabei nicht einmal bis zu jenen halb-
mythischen Zeiten zurückzugehen, da alles Wissen und Glauben
noch ein Nebelmeer dunkler Ahnungen darstellte. Auch auf jener
höheren Ebene der Geistesgeschichte, in der sich aus dem Urnebel
der schaffenden Phantasie schon klarere Begriffe zusammengeballt
haben, sind noch Probleme genug zu lösen.
Vielleicht sind ähnliche wort- und sachgeschichtliche Unter-
suchungen, wie sie hier mit dem Salmiak versucht wurden und
in einer Geschichte des Salmiaks weiter durchgeführt
werden sollen, einst das Mittel, mit dem die noch immer völlig
verworrene Geschichte der spätlateinischen Alchemie entwirrt
werden kann. Hier wollte ich nur einige Richtlinien geben. Über
die zahllosen Varianten und bis zur Unkenntlichkeit getriebenen
Entstellungen des Wortes nusädir in lateinischen Texten belehrt
das Lexicon Ghymicum des Gulielmus Johnson (Manget a. a. 0.
I, 219 ff.) oder Zedlers linkersallexilion (Bel. 33, 1742, Sp. 1004ff.).
Julius Ruska:
haben, nicht die einfachste Erklärung bieten? Wir wissen, welche
Rolle die Juden im islamischen Orient wie im christlichen Occi-
dent unter den Ärzten und gelehrten Übersetzern gespielt haben.
Sie sind überall die Vermittler gelehrten Wissens zwischen den
Völkern verschiedener Sprachen und Religionen gewesen. Es
würde sich nur darum handeln, von einer unanfechtbaren ge-
schichtlichen Tatsache auf den vorliegenden Einzelfall zu schließen
und den positiven Nachweis der Übertragung zu führen. Medizin-
historikern, denen die hebräischen und lateinischen Quellen besser
bekannt sind als mir, wird es nicht schwer fallen, den Gedanken
weiter zu verfolgen und die von mir geäußerte Vermutung zur
Gewißheit zu erheben.
In seinem Buch über die hellenistischen Mysterienreligionen
hat R. Reitzinstein (S. 51, 2. Aufl. 1920) über die Wort-
geschichte eine beherzigenswerte Bemerkung gemacht: ,,Die Wort-
geschichte, wenn sie sich zu einer Geschichte der Begriffe vertieft,
kann uns noch immer reichen Aufschluß über Probleme geben,
denen wir auf keinem anderen V7ege nahekommen können; frei-
lich ist wohl auf keinem Gebiet ein einträchtiges Zusammenwirken
der Theologie und der verschiedenen Philologien so notwendig
wie auf dem einer derartigen Geschichte der religiösen Sprache.“
Man muß nur das Wort Theologie durch Medizin oder Natur-
wissenschaft ersetzen, um die gleiche Sachlage für diese Gebiete
festzustellen. Man braucht dabei nicht einmal bis zu jenen halb-
mythischen Zeiten zurückzugehen, da alles Wissen und Glauben
noch ein Nebelmeer dunkler Ahnungen darstellte. Auch auf jener
höheren Ebene der Geistesgeschichte, in der sich aus dem Urnebel
der schaffenden Phantasie schon klarere Begriffe zusammengeballt
haben, sind noch Probleme genug zu lösen.
Vielleicht sind ähnliche wort- und sachgeschichtliche Unter-
suchungen, wie sie hier mit dem Salmiak versucht wurden und
in einer Geschichte des Salmiaks weiter durchgeführt
werden sollen, einst das Mittel, mit dem die noch immer völlig
verworrene Geschichte der spätlateinischen Alchemie entwirrt
werden kann. Hier wollte ich nur einige Richtlinien geben. Über
die zahllosen Varianten und bis zur Unkenntlichkeit getriebenen
Entstellungen des Wortes nusädir in lateinischen Texten belehrt
das Lexicon Ghymicum des Gulielmus Johnson (Manget a. a. 0.
I, 219 ff.) oder Zedlers linkersallexilion (Bel. 33, 1742, Sp. 1004ff.).