Metadaten

Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 7. Abhandlung): Eine delphische Mirakelinschrift und die antiken Haarwunder — Heidelberg, 1925

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38949#0004
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Otto Weinreich:

Der Anlaß zur Weihung ergibt sich aus Z. 7 und 4: die Frau
hatte bei früheren Schwangerschaften große Schmerzen gehabt und
abortiert; jetzt aber, durch die wunderbare Hilfe Apolls sind die
Schmerzen behoben und das Kind ist γόνιμος, „zur Geburt reif,
vollkommen ausgewachsen“ — erklärlich bei elf Monaten Schwanger-
schaft (s. unten!). Das für den Fall der Erhörung gelobte Haar-
opfer fordert Apoll ein, es ist ein gerade für den Delphier typisches
Opfer.1) Die Gabe hatte er sich herrlich lang wachsen lassen: bei
der Geburt reicht das Idaar bis zu den Augen, nach dem ersten
Jahr bis zur Brust.
Das ist der Hauptinhalt des Mirakels. Der Name des vom
Gotte ausgezeichneten Mädchens ist Δελφίς, sinnvoll gewählt, und
als historischer Personenname belegbar aus dem 4. Jahrhundert.2)
Das paßt gut, unser Text gehört in den Beginn des 3. Jahrhunderts.
Unklar ist die Fortsetzung, weil dem 2. Frg. die linke Hälfte
fehlt. Pomtow nimmt mit Becht an, daß nach vier Jahren ein
zweites Mädchen geboren wird und ein neues Wunder erfolgt. Der
Wortlaut im einzelnen kann zweifelhaft sein. Z. 12 ist das τε
abundans störend, man vermißt ein οίλλην oder ähnliches Wort.
Wenn statt des fragmentierten τ hinter der Lücke etwa N möglich
wäre, könnte man mit Hiller v. Gaertringen (brieflich) [έτος κούρην
άλλη]ν έτέκν[ω]σα[ν] erwägen. Das μέχρι Z. 14, parallel dem in 5?
fordert einen vorausgehenden Genitiv; εχουσαν in 13, an gleicher Vers-
steile wie in 5, führt wohl auf τρίχας als Objekt, die „bis zu“ einem
nicht erratbaren Körperteil reichten und „alltäglich“ länger wurden,
13 κα]θ' ήμαρ. Die Aspiration wie bei καθ' έτος, καθ’ ενιαυτόν
stört nicht. 'Ονόμαζαν Z. 14 weist darauf hin, daß auch dies Kind
einen bedeutungsvollen Namen erhielt; wegenΠυθοϋς ερατεινής denke
ich an Πύθιάς, wie z. B. die Tochter des Aristoteles hieß.3) Also

etwa: [τά]ν ονόμαζαν | [ΠυθιάΗ

οι Πυθοΰς ερατεινής,

μνησαμεν|
μνημόσυνΙ
was allerdings ein Vers mit Verletzung der semiquinaria wäre.
Die letzten drei Verse müssen eine Erwähnung der wirklichen
Darbringung der von Apoll erforderten Haarweihe enthalten haben.

!) Sommer, PW. 2107; ders., Das Haar in Religion und Aberglauben der
Griechen (Diss. Münster 1912) 26; Schredelseker, De superstit. Graecorum, quae
ad crines pertinent (Diss. Heidelberg 1913) 58 f.; Eitrem, Opferritus und Voropfer
354, 365f.; Schwenk, Menschenopfer 87.
2) Bechtel, Histor. Personennamen 544.
3) Andere Belege bei Pape-Benseler ; vgl. Bechtel 615, 616.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften