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Saxl, Fritz [Editor]; Nationalbibliothek <Wien> [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1925/26, 2. Abhandlung): Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters, 2: Die Handschriften der National-Bibliothek in Wien — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38875#0016
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Saxl, Astrolog. Hss. II. Bd. Wien.

die Milchstraße und den Leierspieler. Und neben diesen neuen
Sternbildern stehen Umwandlungen der antiken: Cassiopeia er-
scheint mit der blutenden Hand, Andromeda androgyn, die Medusa
bärtig (vgl. Abb. 23a), der Eridanus als schwimmender Mann, der
Altar von Teufeln umgeben. Diese Umformungen der alten Bilder
sind z. T. — was Boll schon angedeutet hat1 — nach arabischem
Muster vorgenommen worden. Die Araber nannten nämlich einen
Teil des Sternbildes der Cassiopeia die gefärbte Hand2, Andromeda
ist die Frau, die den Gatten nicht gesehen hat3, und die Medusa
wird ihnen zum teuflischen Gul4. Arabische Phantastik formt
also hier die Bilder antiker Schönheit um5.
1 Franz Boll, Sphaera (Leipzig 1903), S. 4972. Siehe auch A. Haubers
Nachweise in seinem posthum erschienenen Werk ,,Planetenkinderbilder und
Sternbilder“ (Stud. z. deutschen Kunstgesch. 194, Straßburg 1916) passim.
2 Ludwig Ideler, Untersuchungen über den Ursprung und die Bedeu-
tung der Sternnamen (Berlin 1809), S. 81. Cassiopeia erscheint im Cod. 2352 wie
Andromeda an zwei Bäume gekettet (Tal. VII, Abb. 13). Das entspricht nicht
orientalischer Tradition, sondern verdankt höchstwahrscheinlich einem der indi-
viduellen Mißverständnisse eines Illustrators seinen Ursprung, der das übliche
Bild der auf einem Thron Sitzenden mit zur Seite gehaltenen Armen in das einer
angeketteten Frau verändert, da er aus der orientalischen Texttradition das
Motiv der blutenden Hand übernimmt. Es ist plausibler, daß aus der Hand
einer nach Art der Andromeda angeschmiedeten Frau ein grandis rivus san-
guinis currit, als aus der Hand der gelassen dasitzenden Gattin des Cepheus,
deren Bild uns die Handschriften der Aratea zeigen, an die sich die Bilderreihe
der Scotus-Handschriften im allgemeinen anschließt.
3 Boll, a. a. O., S. 4972. 4 Ideler, a. a. O., S. 88.
5 Eingehende Untersuchung verdiente das Verhältnis der Scotussphaera
zu der von dem lateinischen Süfitext überlieferten Sphaera. Aus Süfi könnte
Scotus seine Kenntnis des Gül-Hauptes, der Cassiopeia mit der blutenden
Hand usw. geschöpft haben. Jedenfalls stimmt der Scotus-Text weitgehend mit
dem Text der lateinischen Süfi-Handschriften überein. Ich stelle den Cassiopeia-
Text des Cod. 2352 dem Süfi-Text aus Cod. Catin. ext. 87 int. 58 gegenüber.
Cod. 2352 fol. 14v
Casepia est ut mulier pulcherrima
et bene induta sedens super sedem
honoris, brachiis nudis et extensis ut
tenet sacerdos ad altare habens etiam
pectus dextrum nudum et sit in manu
dextra fortiter perforata, de cuius
stigmate currit grandis rivus sangui-
nis. Cum vero sit imago celi habet
stellas parisimiles 14. Disposicio qua-
rum sic certificatur
Die Aufzählung der 14 Sterne bei Scotus stammt sicherlich nicht aus

Cod. Catin. ext. 87 int. 85 fol. 8V
Cassiopia est ut mulier plenissima
et bene induta sedens super sedem
honoris brachijs nudis extensis habens
et pectus dextrum nudum et in manu
dextra fortiter perforata de cuius stig-
mate currit grandis sangwis.
 
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