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Saxl, Fritz [Editor]; Nationalbibliothek <Wien> [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1925/26, 2. Abhandlung): Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters, 2: Die Handschriften der National-Bibliothek in Wien — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38875#0018
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Saxl, Astrolog. Hss. II. Bd. Wien.

liehen so darstellt, wie sie in den spätantiken Handschriften dar-
gestellt waren, finden wir bei Scotus Bilder, die zum Teil mit der
alten Tradition überhaupt nichts mehr gemein zu haben scheinen
(Taf. XIV, Abb.22). Da ist Saturn ein Krieger, Jupiter ein Gelehrter
an einem Eßtisch, Mercur ein Bischof mit dem Buch. Gewiß sind auch
diese Gestalten, so unantikisch sie auf den ersten Blick erscheinen,
nicht ganz der Antike fremd. Die Sichelwaffe dieses Saturn ist nichts-
anderes als die Sichel, die dem Flurgott der Latiner seit Alters zu-
kommt1; und ebenso ist die Virga, die der Mercur hält, nichts anderes
als der Heroldsstab. Aber vergeblich würde man sich bemühen, aus
antiker Bildtradition zu erklären, daß der geistliche Würdenträger
Jupiter und der Bischof Mercur mit einem Buch dargestellt sind.
Hinter diesen Gestalten stecken Bildungen babylonischer Phan-
tasie: Marduk, der Gott, der das Schicksalsbuch hält, und Nebo,
der Schreibergott. Hier ist arabische Tradition mit okzidentaler
gemischt, und so entstehen Bilder, die weder Orient noch Okzident
bisher gesehen haben konnten2.
Scotus hat zu diesen Planetenbildern einen ziemlich aus-
führlichen Text geschrieben. Dieser Text besteht aus zwei Teilen.
Der erste gibt die Beschreibung des Bildes, der zweite dessen alle-
gorische Analyse3. Wir sehen, wie Scotus hier aus orientalischen
1 Der Yerf. korrigiert damit eine in einem früheren Aufsatz über Planeten-
darstellungen im Orient und Okzident (Islam III, 1912, S. 167) ausgesprochene
Ansicht, daß diese Waffe die des Nergal sei. Daselbst auch Abb. der Planeten-
bilder aus den Codd. Yind. 2352 und 3394.
2 Vgl. hierüber den eben zitierten Aufsatz des Verf. S. 166f. Daß Jupiter
an einem Eßtisch erscheint, also ebenso wie in der provengalischen Hand-
schrift, mag allerdings aus europäischer Tradition, aus europäischem Miß-
verständnis zu erklären sein, vielleicht hat aber auch ein später Erläuterer
dieser Bilder recht, der darin einen Hinweis auf die astrologischen Qualitäten
Jupiters erblickt: der Gott, der reich macht, ist es, der es sich an diesem
Tisch gütlich sein läßt. „Hic uidetur semper sedere ad mensam deliciarum
ex diuersis cibis et potibus, cum multa peccunia super mensas sibi presentem,
et in bursa pendente ad cincturam eius mirifice laboratam et diuersis gemmis
preciosis. Vnde dicitur deus diuiciarum.“ I primi due libri del ,,tractatus
sphaerae“ di Bartolomeo da Parma, astronomo del. sec. XIII. ed. Enrico
Narducci. Estr. dal. Bull, di Bibliogr. e di Stör, delle Scienze Mat. e Fis.
T. XVII (1884) p. 135.
3 Textproben im Islam, a. a. O., S. 175ff. Die Bibi. Warburg bereitet
seit mehreren Jahren mit Hilfe von Dr. Hans Liebeschütz und Hans
Meier die Edition des großen Werkes von Michael Scotus vor, dessen Bedeu-
tung für die Entwicklung der mittelalterlichen kosmologischen Ideen in den
letzten Jahren immer deutlicher erkennbar wurde. Vgl. Lynn Thorndike,
 
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