Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.
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der Geist sich unmittelbar äußerte. Aber nun war eine dieser
prophetischen Erscheinungen so mächtig gewesen, daß sie wie ein
Transparent Gottes erschien, der verheißene Christus, und der Geist,
den er zurückgelassen, war so zwingend und beglückend, daß sich
eine neue Gemeinschaft mit dem einen, nur zeitweilig entrückten
Haupt bildete, in der jener Geist frei flutete, in der ganzen Gemeinde
und wieder in einzelnen besonders Begnadeten, in den prophetisch
oder auch in den organisatorisch Begabten. Nun geschah das Ent-
scheidende. Während der schwärmerische Enthusiasmus in den
Versammlungen und einzelnen Propheten zur Unordnung im Innern
und zum Zerfließen nach außen führte, offenbarte sich in den
organisatorisch Begabten, in den ständig mit der Leitung Beauf-
tragten, den Aufsehern oder Episkopen, der Gottesgeist als der
Geist der Ordnung und Einheit und stempelte das hier entstehende
Amtsrecht im Ghristenverein zum geistlichen Recht in der werden-
den katholischen Kirche1. Der Vorgang gewann um so mehr an
Klarheit und Geschlossenheit, als überall in den Ortsgemeinden
aus dem Kollegium sich ein einzelner heraushob und wiederum alle
diese einzelnen sich zu einer Gesamtheit zusammenschlossen, die
nun als die wahre Trägerin und Interpretin des ursprünglichen
apostolischen Geistes galt, das wahre Erbteil, der xkyjpoc; Gottes.
Längst vor Augustin2 erhob sich das Bild einer neuen Bürger-
schaft Gottes, eines Staates, der himmlisch und irdisch zugleich
war, himmlisch nach dem Rechte des Geistes, irdisch nach der
Notwendigkeit, diesem Geist zu seinem Rechte auch im Zusam-
menleben der Menschen zu verhelfen. Und jene hohen Gedanken
der idealistischen Philosophie von einem Gottesreich, in dem die
Gesetze der eingeborenen Vernunft herrschen und die Philosophen
die Wächter sind, wandten sich jetzt diesem christlichen Gebilde
zu, je mehr Mitglieder der gebildeten Kreise Christen wurden, und
halfen das göttliche, der Schrift entnommene Recht mit dem natür-
1 Wobei es sich durchaus nicht nur, wie es Sohm darstellt (zuletzt KR. II,
185 f.), um das Recht des Opfervollzugs, sondern überhaupt um die Realisie-
rung des einen Gotteswillens, also den Bau eines Gottesreiches auf Erden
handelt. Sohm vereinfacht auch hier wie so oft komplizierte Fragen.
2 Auch längst vor Tyconius. Aber Augustin fing die Gedanken auf, ent-
faltete, vertiefte und brachte sie in klassische Form. Dies Hauptproblem, wie
aus der geistigen xoivomoc Jesu und seiner Jünger der himmlisch-irdische ordo
des Augustin wird, hat neuerdings E. Salin, der Volkswirtschaftler, zum Ge-
genstand einer großen selbständigen Konzeption gemacht (De civitate Dei,
1926), vgl. dazu W. Köhler in d. Ztschr. f. d. ges. Staatswiss. 1927, S. 151 ff.
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der Geist sich unmittelbar äußerte. Aber nun war eine dieser
prophetischen Erscheinungen so mächtig gewesen, daß sie wie ein
Transparent Gottes erschien, der verheißene Christus, und der Geist,
den er zurückgelassen, war so zwingend und beglückend, daß sich
eine neue Gemeinschaft mit dem einen, nur zeitweilig entrückten
Haupt bildete, in der jener Geist frei flutete, in der ganzen Gemeinde
und wieder in einzelnen besonders Begnadeten, in den prophetisch
oder auch in den organisatorisch Begabten. Nun geschah das Ent-
scheidende. Während der schwärmerische Enthusiasmus in den
Versammlungen und einzelnen Propheten zur Unordnung im Innern
und zum Zerfließen nach außen führte, offenbarte sich in den
organisatorisch Begabten, in den ständig mit der Leitung Beauf-
tragten, den Aufsehern oder Episkopen, der Gottesgeist als der
Geist der Ordnung und Einheit und stempelte das hier entstehende
Amtsrecht im Ghristenverein zum geistlichen Recht in der werden-
den katholischen Kirche1. Der Vorgang gewann um so mehr an
Klarheit und Geschlossenheit, als überall in den Ortsgemeinden
aus dem Kollegium sich ein einzelner heraushob und wiederum alle
diese einzelnen sich zu einer Gesamtheit zusammenschlossen, die
nun als die wahre Trägerin und Interpretin des ursprünglichen
apostolischen Geistes galt, das wahre Erbteil, der xkyjpoc; Gottes.
Längst vor Augustin2 erhob sich das Bild einer neuen Bürger-
schaft Gottes, eines Staates, der himmlisch und irdisch zugleich
war, himmlisch nach dem Rechte des Geistes, irdisch nach der
Notwendigkeit, diesem Geist zu seinem Rechte auch im Zusam-
menleben der Menschen zu verhelfen. Und jene hohen Gedanken
der idealistischen Philosophie von einem Gottesreich, in dem die
Gesetze der eingeborenen Vernunft herrschen und die Philosophen
die Wächter sind, wandten sich jetzt diesem christlichen Gebilde
zu, je mehr Mitglieder der gebildeten Kreise Christen wurden, und
halfen das göttliche, der Schrift entnommene Recht mit dem natür-
1 Wobei es sich durchaus nicht nur, wie es Sohm darstellt (zuletzt KR. II,
185 f.), um das Recht des Opfervollzugs, sondern überhaupt um die Realisie-
rung des einen Gotteswillens, also den Bau eines Gottesreiches auf Erden
handelt. Sohm vereinfacht auch hier wie so oft komplizierte Fragen.
2 Auch längst vor Tyconius. Aber Augustin fing die Gedanken auf, ent-
faltete, vertiefte und brachte sie in klassische Form. Dies Hauptproblem, wie
aus der geistigen xoivomoc Jesu und seiner Jünger der himmlisch-irdische ordo
des Augustin wird, hat neuerdings E. Salin, der Volkswirtschaftler, zum Ge-
genstand einer großen selbständigen Konzeption gemacht (De civitate Dei,
1926), vgl. dazu W. Köhler in d. Ztschr. f. d. ges. Staatswiss. 1927, S. 151 ff.