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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0065
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts. 65
wurde das vielbewunderte Vorbild einer demokratischen Entwick-
lung, das auf dem Kontinent vom Ende des 18. Jahrhunderts an
und nun unter starker Mitwirkung des amerikanischen Beispiels
praktische Nachfolge fand, auf katholischem wie protestantischem
Boden, dort in Frankreich unter schwersten revolutionären Er-
schütterungen, hier in Deutschland damit verglichen in friedlicher
Umbildung, beide Male mit dem Endergebnis des reinen Volks-
staats, mit entsprechender grundsätzlicher Säkularisierung oder
kirchlicher Neutralisierung des Staates1.
Das alles bedeutete die Auflösung der uralten Verknüpfung von
Thron und Altar ■—■ ein großer Verlust und doch vielleicht ein noch
größerer Gewinn für Born und sein Recht. Die historische Gestalt
der engen Verbindung von Staat und Kirche war von Anfang an
eine Verbindung von Herrscherpersönlichkeit und Kirche. Das Be-
dürfnis des Herrschers, seine Gewalt religiös zu stützen, war gesteigert
worden durch die Notwendigkeit, die konkurrierende Rechtsgröße
der katholischen, dann der römisch-katholischen Kirche zu über-
trumpfen oder sonstwie unschädlich zu machen. Der monarchische
Absolutismus der Neuzeit zeigt diese alte Wahrheit nur von neuem;
voll theokratischer Würde, den jüdischen Königen vergleichbar, aus
göttlichem Recht Lenker der Kirche war Karl I. von England nach
eigenem Urteile und dem seines Erzbischofs Laud2, und der roi de
soleil sonnte sich auch in dem Ruhme, „der allerchristlichste König“
zu sein oder doch zu heißen. Die allmähliche Säkularisation des
Staates war identisch mit der allmählichen Verdrängung oder Ver-
dünnung der monarchischen Staatsform, und sofern nun diese Säku-
larisation Rom seines historischen Konkurrenten auf dem Gebiete
des kirchlichen Rechtes entledigte, fiel sein Interesse mit denen zu-
1 Freilich mit dem Unterschied, daß in Frankreich die Trennung radi-
kal durchgeführt ist (das gesamte Material von 1789—1924 bei Giacomettj),
während in Deutschland auch nach 1918 ein abgeschwächtes System in Kraft
blieb, das den christlichen Konfessionen die Geltung als öffentliche Kör-
perschaften mit einer gewissen privilegierten Stellung innerhalb des Staats-
verbands beläßt (Reichsverf. Art. 137). Kurze Übersicht bei E. Sehling,
Kirchenrecht2 II, 62f. (1927), Sammlung Göschen.
2 Am stärksten im Kan. 1 des geistlichen Rechtsbuchs, das Laud 1640
fertigstellte, dem englischen book of canons: The most high and sacred order
of kings is of divine right, being the ordinance of God himself, founded in the
laws of nature and clearly established by express texts both of the Old and New
Testaments, vgl. Hutton, The English Church 1625—1714 (1913), S. 26ff.,
82f.; K. Müller, KG. II, 2, 460f.

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. KI. 1926/27. 2. Abh.
 
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