Metadaten

Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0066
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
66

Hans v. Schubert:

sammen, die an der antimonarchischen Gestaltung der Dinge arbei-
teten. Man darf sich nicht dadurch täuschen lassen, daß Ludwig die
Hugenotten vernichtete und die Stuarts Werkzeuge der Gegen-
reformation waren. Man muß sich vielmehr daran erinnern, daß
Jesuiten wie Molina und Suarez aus dem rein irdischen Charakter
des Staates die überragende Bedeutung der Kirche ableiteten. Das
Herrschertum von Gottes Gnaden war der eigentliche Gegenspieler;
die ganze Geschichte Karls V. ist deß ein einziges Zeugnis. Konnte
das Gottesgnadentum, das ius divinum des Volkes an die Stelle
treten, wie Marsilius einst konstruierte ?
In der Tat, solche Töne tauchen in den ersten Zeiten auf, nicht
nur bei dem gemäßigten Republikanismus der Altreformierten, die
in der kämpfenden Glaubensgemeinde das auserwählte Volk des
Alten Testaments wiederfanden und an ihrer Spitze mit ihrem
Meister Calvin von Gott eingesetzte, geistliche Ämter anerkann-
ten1, auch bei den radikalen Independenten, die überall das Volk
sahen und suchten, mit dem Gott seinen Bund gemacht hatte: das
„Parlament der Heiligen“ war ihre politische rudimentäre Erschei-
nungsform. Es ist dann schon etwas anderes, wenn Milton, der hu-
manistisch gebildete Dichtersekretär der Republik England,gegen-
über den wahnwitzigen Anmaßungen der Stuarts, daß die Könige,
darin Gott gleich, mit ihren Untertanen handeln könnten wie mit
Schachpuppen und das Volk erhöhen oder herabsetzen könnten wie
eine Münze, die Souveränität des Volkes gründet auf das Geburts-
recht jedes freien Engländers, das auf seiner Gottebenbildlichkeit
ruht2 — es ist natürliches Menschenrecht und insofern göttliches,
wie schon bei Marsilius. Das ist vollends die Anschauungsweise der
Levellerund aller der Männer, deren Theorien vom Vertragscharakter
des Staates sich ableiteten aus der antiken Gesellschaftsethik, einer-
lei ob in Deutschland, Holland oder England, ob Althusius, Grotius
oder Locke3. Daß die Stimme Gottes sich in der Stimme des
Volkes kundtue, blieb nur bei denen eine lebendige Wahrheit,
deren fromme Pilgerväter wirklich den neuen Staat der ameri-

1 Seeberg S. 613, Troeltsch S. 444. Vom ius divinum wird in diesem
Sinne hier bei den Presbyterianern ebenso geredet wie bei den Episkopalen.
Das war eine für den Protestantismus nicht ungefährliche Verwandtschaft
mit katholischen Grundgedanken.
2 Vgl. Gierke, Althusius, S. 163; Rothenbücher, 1. c. S. 37ff.
3 Weingarten S. 286ff., Gierke S. 68f., Troeltsch S. 821, See-
berg S. 624f., K. Müller S. 718ff., Rothenbücher S. 42ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften