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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0068
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68

Hans v. Schubert :

dem Gebiete der allgemeinen sozialenWohlfahrt, besonders der Sorge
für das friedliche Gedeihen der Familie als der Keimzelle der natio-
nalen Gesellschaft und auf die Blüte der Schule als der Stätte einer
gleichmäßigen nationalen Bildung. Damit stoßen wir an die Punkte,
die der katholischen Kirche nach der großen Vermögenseinziehung
vor über 100 Jahren und also ihrer Vergeistigung vornehmlich übrig
geblieben waren als die eigentliche Domäne ihrer rechtlichen Nor-
mierung, d.h.wir rühren an die innerste und empfindlichste Reibungs-
fläche beider Instanzen. Die Berührung braucht solange nicht zur
Entzündung zu führen, als die Bürgschaften dafür gegeben sind, daß
diese gemeinsamen Fragen auch von seiten des gesamten Volkes
im Sinne des christlichen Ethos behandelt werden. Es muß sich
aber sofort-—wie in den ersten Jahrhunderten ■— der Antrieb ein-
stellen, die christlich-ethischen Forderungen in der Form des geist-
lichen Rechtes als des höheren zu präsentieren und ihre Aufnahme
in die Gesetzgebung zu verlangen, wenn jene Bürgschaften weg-
gefallen sind. Die Tatsache, daß die ganze geistige und wirtschaft-
liche Entwicklung unseres und anderer Völker unter dem beherr-
schenden Einfluß einer ausgesprochen materialistischen Geistes-
richtung gestanden und heute in dem noch immer zur Christenheit
gerechneten russischen Volke diese Richtung zu einem Vernich-
tungskampfe gegen das christliche Ethos geführt hat, setzt das
genannte Motiv in Aktion und verschafft ihm dazu die Sympathie
der vielen, die auch in anderen Lagern um die letzten Güter bangen.
Und es kann sie gerade das mehren, was die besondere Gefahr für
den Staat ausmacht: daß sich das geistliche Recht als eine Zeiten
und Räume überspannende, für alle Völker geltende Wahrheit gibt.
Denn es vollendet das Bild unserer Tage, daß neben dem nationalen
Zuge sich teils als Rückschlag teils infolge der wachsenden inter-
nationalen Verflochtenheit aller Dinge ein universaler Zug immer
stärker herausarbeitet, der nach dem Zusammenbruch des Völker-
rechts im Weltkrieg die Menschen im Zeitalter des Völkerbundes
besonders empfänglich macht für die Entscheidungen eines Ober-
richters im Namen des Völkerfriedens. Man kann geneigt sein von
der beginnenden Entfaltung eines fünften Moments zu sprechen, das
dem geistlichen Rechte Roms günstig ist oder jedenfalls sein kann.
Es kam also alles darauf an, ob die gezeichnete Zwiespältig-
keit der neuen Weltlage praktisch von Rom zu seinem Vorteil
gewendet und genutzt wurde. Niemand kann leugnen, daß das,
von einigen Fehlgriffen abgesehen, seit etwa 60 Jahren mit Nach-
 
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