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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0084
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84

Heinrich Mitteis:

rechtlichen Verurteilung Philipps von Flandern zur Restitution
des Vermandois gekommen ist1.
Diese Schweigsamkeit der Quellen ist jedenfalls auf die Zähig-
keit zurückzuführen, mit der sich die strenge Mündlichkeit des Ver-
fahrens gerade im Königsgericht hielt2. Auch Philipp August hatte
daran nichts geändert, trotz seiner großen Verdienste um die Fort-
entwicklung der fluktuierenden curia regis zu einem ständigen
Gerichtshof, die besonders auf seinen Dispositionen in dem fälsch-
lich so genannten „Testament“ von 1190 beruhen3. Nach einer
ansprechenden Vermutung-von Langlois4 hat erst die Übernahme
des normannischen, schon im 12. Jahrhundert nachweisbaren
Brauches, die Urteile des herzoglichen scaccarium aufzuzeichnen,
zur Anlegung fortlaufender Urteilsregister geführt.
Dieser Mangel an urkundlichem Material ist in einem Falle auf
das höchste zu bedauern: er erschwert es dem Historiker ungemein,
ein klares Bild von den Vorgängen bei der Verurteilung Johanns
ohne Land, des Herzogs der Normandie und Bretagne und Königs
von England, zu gewinnen. Daß dieser Prozeß entwicklungs-
geschichtlich genau an derselben Stelle steht, wie der Prozeß Hein-
richs des Löwen in Deutschland, wird noch in einem zusammen-
fassenden Schlußabschnitt gezeigt werden. Die quellenmäßige
Lage ist in dem französischen Beispiel noch viel verzweifelter als
in dem deutschen, da hier der sichere Führer fehlt, den wir in der
Gelnhäuser Urkunde gefunden hatten. Es bleibt also nichts andres
übrig, als der französischen Geschichtsschreibung auf den viel-
verschlungenen Pfaden, die zur Aufhellung dieses welthistorischen
Prozesses führen, zu folgen.

VIII.
In kurzen Zügen ist zunächst die politische Situation zu
zeichnen. Das französische Königtum sah sich am Ende der Re-
gierungszeit Ludwigs VII. einer territorialen Übermacht in Frank-
1 Vgl. auch Petit-Dutaillis, Le desheritement de Jean Sans Terre
(unten S. 90 A. 2), p. 15.
2 Vgl. P. Guili-iiermoz, De la persistance du caractere orale dans la
procedure civile frangaise (Nouv. rev. hist, de droit frangais et dtranger, 1889,
p. 21 ss.)
3 Vgl. Delaborde, Recueil, Nr. 345, p. 416; Langlois textes, p. 29.
4 De monumentis ad priorem Curiae regis judiciariae historiam pertinen-
tibus, These Paris 1887, p. 12ss.
 
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