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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 5. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 3: Neue Quellenstücke zur Theologie des Johann von Wesel — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38927#0054
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Gerhard Ritter:

unbekannten Schriften Wesels gerade in einem Sammelbande vor-
wiegend humanistischen Inhalts auf die Nachwelt gekommen sind.
Erst jetzt wird uns auch der Zusammenhang klar, in dem die
Redaktion A des Prozeßberichts zuerst gedruckt erscheint. Die
Kommentarien des Enea Sylvio zur Geschichte des Baseler Konzils,
1440 entstanden, bildeten mit ihrer radikalen Verteidigung kon-
ziliarer Grundsätze eine höchst peinliche Erinnerung für ihren
Autor, seit dieser selber den Papstthron bestiegen hatte; er suchte
sie durch ein späteres, zweites Werk über denselben Gegenstand in
Vergessenheit zu bringen, und war wohl nicht unschuldig daran,
daß nur ein Bruchstück von ihnen in ganz wenigen handschrift-
lichen Exemplaren auf die Nachwelt kam. Um so willkommener
war die darin zu findende Mischung von humanistischem Esprit
und reformkatholischer Gesinnung jenen humanistischen Opposi-
tionsgruppen, die beim Ausbruch der Reformation in allen mög-
lichen Schattierungen —- von Wimpfeling und Reuchlin bis Eras-
mus — gegen römische Anmaßung, Sittenverderbnis des Klerus,
Mißbräuche und Aberglauben der Kirche wetterten, ohne doch die
große Revolution mitzumachen. Jakob Sobius, einer der eifrigsten
Vorkämpfer der humanistischen Opposition gegen die „Römlinge“
und Verteidiger Reuchlins gegen Hochstraten1, scheint ihre Ver-
öffentlichung durch den Druck besorgt zu haben, unter Mitwirkung
seines Freundes, des humanistischen Grafen Hermann von Neu-
enahr. Diese Erstausgabe erschien (s. 1. eta.) 1521 oder 1522, wahr-
scheinlich in Köln2, und enthielt als Beigabe eine ganze Reihe
anderer Schriften verschiedenster Herkunft, aber durchweg opposi-
tionellen Inhalts, darunter auch die Prozeßakten Wesels in der
Redaktion A. Kritisch-oppositionell gestimmte Randnoten des
Herausgebers sorgten dafür, daß der Zweck des Buches recht deut-
lich werde: eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern im
Sinne der großen Konzilien, d. h. mit scharf antikurialer Wendung,
zu fordern3. Die Prozeßakten des als Ketzer gebrandmarkten
1 Vgl. A.D.B. 34, 529ff. (von R- Hoche, der von dieser Edition aber
nichts weiß).
2 Gründliche Nachweise über diese und die gleich zu nennende Schrift
des Ortwin Gratius bei David Clement, Bibliotheque curieuse historique et
critique, Leipsic 1769, t. VIII, 240—49. Ich benutzte das Freiburger Exemplar
der Commentarien. S. auch Panzer IX, 163.
3 Einiges davon erinnert an Wesselsche Sätze, z. B. p. 45: Quasi in re
fidei non possit etiam infimus laicus, aut mulier contra universos Babylonis salel-
lites pronunciare, habens pro se canonicam scripluram“'.
 
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