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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0020
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20

Ernst Lohmeyer:

möglich, unter diesem Ausdruck „der in Gottes Gestalt ist“
andere ihm untergebene himmlische Wesen zu verstehen. Und
doch läßt sich die Reinheit des nur auf sich bezogenen Handelns,
das sein innerstes Motiv und seine wahre Rechtfertigung ist,
letztlich nur von Gott selbst aussagen; sie ist nur in dem Regriff
der Weltschöpfung ungetrübt gegeben. So ist denn der Träger
dieser Handlung „Gott gleich“ und dennoch von ihm unterschieden;
ihm steht die Einzigartigkeit einer wesentlichen Reziehung zu Gott
zur Verfügung, mag sie auch noch in dämmernder Unbestimmtheit
liegen1. Sie ist gleichsam als die Möglichkeit gesetzt, die erst durch
die eigene Tat zur offenbaren Wirklichkeit wird. So ist denn schon
hier deutlich, daß die beiden Wendungen „in Gottes Gestalt sein“
und „Gott gleich sein“ in ihrem Sinn gleich und ebenso unterschie-
den sind.
Es ist eine schöne Restätigung dieser Zusammenhänge, daß
die zweite Zeile in dunklem Rüde von dem Entschluß zu dieser Tat
spricht: ouy ap-aygov 7]y7]aaTo2. Wort und Sinn dieses Rildes
sind gleicherweise umstritten. Sprachlich ist zu sagen, daß die
Nomina, die von einem verbalen Stamm durch Hinzufügung der
Endsilbe -pop oder -pa gebildet sind, fast niemals eine künftige,
sondern eine in der Vergangenheit abgeschlosene Tat, kaum das zu
Wirkende, sondern das Gewirkte bezeichnen3. So wäre für äpTuaypop
der Sinn von res rapta, nicht der von res rapienda anzunehmen.
Aber vielleicht ist diese sprachliche Bedeutung in der Ivoine nicht
so scharf beobachtet wie etwa in der klassischen Zeit4. Wie dem

1 Es ist also hier der gleiche Sachverhalt umschrieben, den Paulus
ein andermal mit dem Wort slxcbv 9soü kennzeichnet; vgl. H. Windisch,
II Kor. (Meyer YP) 137 zu 4, 4.
2 Vgl. zu der Wendung besonders W. Jaeger, Eine stilgeschichtliche
Studie zu Phil. Hermes 1915, 537ff., Jülicher ZNTW 1916, 1 ff.; P. W.
Schmidt, Prot. Monatshefte 1916, 171 ff.; Preuschen-Bauer2, sub voce,
wo weitere Literatur; jetzt auch Loofs a. a. O. 17 ff.
3 Das Suffix -[loc, dient „häufig zur Bildung von Verbalabstrakta, zum
Teil in Dingbedeutung übergehend“ (Brugmann-Thumb, Griech. Gramm.4
218). Die Neutra auf -goc waren „Nomina actionis, die oft in Dingbedeutung
übergehen (ebda. 222). Daß eine Bedeutungsdifferenz durch das Suffix nur
schwer festzulegen ist, zeigen auch Wörter wie '5-oypaug6<;, diaZgop, O-sptago^,
tgaTiagop, STuaiTiagOi; u. a.
4 äpiraygop und apraxyga sind also synonym; vgl. schon Zahn in Lut-
hardts Zeitschrift 1885, 244ff. und Jäger a. a. 0. apraxyga ist das geläufigere
Wort; vgl. in LXX Lev. 6, 4; Hiob 29, 17; Ps. 61, 10; Sir. 16, 13; Mal.
1, 13; Jes. 42, 22; 61, 8; Ez. 18, 7. 12. 16. 18; 19, 3. 6; 22, 25. 27. 29; 33, 15,
 
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