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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0026
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Ernst Lohmeyer:

gesetzter letzter Gedanke. Darum muß, wo immer die Welt-
schöpfung als sittliche Tat begriffen wird, auch der Gedanke der
Versuchung mit ihr in irgend einer Form verknüpft sein. Da es
aber das Wesen des Mythos ist, als ein irgendwie zeitliches Gesche-
hen die grundsätzlichen Bedingungen des Glaubens zu schildern,
so bedeutet das nichts Anderes, als daß mit der mythischen Er-
zählung, wie „am Anfang Gott die Welt schuf“, auch die andere
verbunden sein muß, wie die Versuchung geschah.
Aus diesen Zusammenhängen wird die schon geäußerte Ver-
mutung bestätigt, daß als ein Gegenbild hinter der Wendung
ouy ap-ocypov yjyeiaFai ein kosmogonischer Mythus von Schöpfung
und Versuchung steht. Denn auch diese Wendung bezieht sich ja
nicht auf ein Geschehen in Zeit und Welt, sondern gleichsam über
Zeit und Welt. Sie kann daher nicht irgendwelche Vorgänge
voraussetzen, die eine geschichtliche Wirklichkeit haben, seien sie
auch durch mythische Mächte vermittelt gedacht, sondern nur
solche, durch die der Bestand von Geschichte und Welt erst möglich
und bestimmbar wird. Anders gesprochen, sie setzt urzeitliche
Ereignisse voraus. Welches aber sind diese Ereignisse ?
Wieder sieht man sich hier auf die iranische Kosmogonie
angewiesen, welche diesen grundsätzlichen Sachverhalt am klarsten
ausprägt. Schon in einem der alten Gathahymnen ist der ethische
Gedanke der „Wahl“ — und er ist ja mit dem Begriff der „Ver-
suchung“ gesetzt -— das notwendige Korrelat zu dem der Schöp-
fung1; und in späteren Weiterungen dieser kosmogonischen Be-
trachtung wird immer stärker das Moment des „Zweifels“ oder der
„Versuchung“ betont. Immer auch wird als Motiv dieses „Zweifels“
oder der „Wahl“ der Gedanke der Auflehnung gegen die Herrschaft
des Guten betont. Ahriman will niemandem untertänig sein, wie
es im Bundahisn heißt2. Darum schafft er sich seine Welt. Es ist
der gleiche Gedankengang, der als Antithese dieser Worte voraus-
zusetzen ist. Ja, er kann nicht schärfer bezeichnet werden, als
wenn gesagt wird, daß Ahriman „es für einen Raub hielt, Gott
gleich zu sein“. Alle Gedanken von der Unrechtmäßigkeit der
•ahrimanischen Herrschaft und Welt, von ihrer endgültigen Über-
windung und Vernichtung am Ende der Zeit sind in ihm enthalten;
er hat „geraubt“, was ihm nicht zugehörte.
1 Yasna 30; vgl. Grundriß d. iran. Philologie II, 668ff.; Chantepie
de la Saussaye, a. a. O.
2 Bundah. 1, lf.
 
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