4
E. Hoff.mann und R. Klibansky:
Gliederung bis zur vollständig ausgearbeiteten Predigt alle Zwischen-
stufen vertreten. Der im folgenden abgedruckte Text der Predigt
,,Dies Sanctificatus“ ist deutlich als Entwurf zu erkennen, dessen
einzelne Teile dem Grade der Ausarbeitung nach stark voneinander
unterschieden sind. Der in sich zusammenhängende und logisch
geschlossene Aufbau einer Gedankenreihe weicht häufig einer bloßen
Andeutung, einem kurzen Stichwort, einem knappen, in seiner Ge-
drängtheit nur im Zusammenhang der Gesamtheit des Cusa-
nischen Werkes verständlichen Ausdruck.
Wenn trotz des unliterarischen Charakters dieser Predigt im
folgenden eine Ausgabe des Textes gegeben und gar eine Über-
setzung versucht wird, so geschieht dies aus zwei Gründen: kur^e Zeit
nach der Abfassung von „Dies Sanctificatus“ wurde — nach dem
Zeugnis der Handschriften1 am 12. Februar 1440 — das erste philo-
sophische Hauptwerk des Cusanus, die Schrift De Docta Igno-
rantia, fertiggestellt. Da sich nun zwischen bestimmten Teilen
dieses Werkes und dem Hauptteil der vorliegenden Predigt im Ge-
dankengang, nicht selten auch im Wortlaut eine weitgehende Ent-
sprechung ergibt, erweist sich das hier veröffentlichte Auto gra-
phon des Cusanus als wertvolles Hilfsmittel für die Gewinnung
eines gesicherten Textes der Docta Ignorantia, für die bekanntlich
die eigenhändige Niederschrift des Cusanus nicht erhalten ist. -
Wichtiger noch als dieser philologische Gesichtspunkt ist, daß der
Blick in die Werkstatt des Cusanischen Denkens, den diese Predigt
— gerade in ihrer „Unfertigkeit“ — eröffnet, zeigt, wie die Arbeit
an dem philosophischen Werk die Gedankenwelt des Cusanus in
solchem Maße beherrscht, daß selbst der Inhalt dieser für einen
weiteren Kreis bestimmten Predigt von den entscheidenden Ge-
danken der Docta Ignorantia bestimmt wird. Und wie ein wahres
Verständnis dieses Entwurfes nur dann zu gewinnen ist, wenn er
im Zusammenhang mit der Docta Ignorantia betrachtet wird, so
fällt andererseits von der Predigt ein Licht auf die im Gedanken
entsprechenden und in der Kürze der Zuspitzung oft der Deutung
bedürftigen Teile des philosophischen Werkes.
Doch nicht nur diese eigentümliche Verbindung des Philo-
sophen und des Priesters tritt in der Predigt des Cusanus — in
dieser wie in der großen Zahl seiner übrigen — zu Tage: auch seine
politische Wirksamkeit ist in Andeutungen dieser Augsburger
1 cod. Cusan. 218, fol. 42v; cod. Monac. lat. 18711, fol. 71r; cod. Monac.
lat. 14213, fol. 33r.
E. Hoff.mann und R. Klibansky:
Gliederung bis zur vollständig ausgearbeiteten Predigt alle Zwischen-
stufen vertreten. Der im folgenden abgedruckte Text der Predigt
,,Dies Sanctificatus“ ist deutlich als Entwurf zu erkennen, dessen
einzelne Teile dem Grade der Ausarbeitung nach stark voneinander
unterschieden sind. Der in sich zusammenhängende und logisch
geschlossene Aufbau einer Gedankenreihe weicht häufig einer bloßen
Andeutung, einem kurzen Stichwort, einem knappen, in seiner Ge-
drängtheit nur im Zusammenhang der Gesamtheit des Cusa-
nischen Werkes verständlichen Ausdruck.
Wenn trotz des unliterarischen Charakters dieser Predigt im
folgenden eine Ausgabe des Textes gegeben und gar eine Über-
setzung versucht wird, so geschieht dies aus zwei Gründen: kur^e Zeit
nach der Abfassung von „Dies Sanctificatus“ wurde — nach dem
Zeugnis der Handschriften1 am 12. Februar 1440 — das erste philo-
sophische Hauptwerk des Cusanus, die Schrift De Docta Igno-
rantia, fertiggestellt. Da sich nun zwischen bestimmten Teilen
dieses Werkes und dem Hauptteil der vorliegenden Predigt im Ge-
dankengang, nicht selten auch im Wortlaut eine weitgehende Ent-
sprechung ergibt, erweist sich das hier veröffentlichte Auto gra-
phon des Cusanus als wertvolles Hilfsmittel für die Gewinnung
eines gesicherten Textes der Docta Ignorantia, für die bekanntlich
die eigenhändige Niederschrift des Cusanus nicht erhalten ist. -
Wichtiger noch als dieser philologische Gesichtspunkt ist, daß der
Blick in die Werkstatt des Cusanischen Denkens, den diese Predigt
— gerade in ihrer „Unfertigkeit“ — eröffnet, zeigt, wie die Arbeit
an dem philosophischen Werk die Gedankenwelt des Cusanus in
solchem Maße beherrscht, daß selbst der Inhalt dieser für einen
weiteren Kreis bestimmten Predigt von den entscheidenden Ge-
danken der Docta Ignorantia bestimmt wird. Und wie ein wahres
Verständnis dieses Entwurfes nur dann zu gewinnen ist, wenn er
im Zusammenhang mit der Docta Ignorantia betrachtet wird, so
fällt andererseits von der Predigt ein Licht auf die im Gedanken
entsprechenden und in der Kürze der Zuspitzung oft der Deutung
bedürftigen Teile des philosophischen Werkes.
Doch nicht nur diese eigentümliche Verbindung des Philo-
sophen und des Priesters tritt in der Predigt des Cusanus — in
dieser wie in der großen Zahl seiner übrigen — zu Tage: auch seine
politische Wirksamkeit ist in Andeutungen dieser Augsburger
1 cod. Cusan. 218, fol. 42v; cod. Monac. lat. 18711, fol. 71r; cod. Monac.
lat. 14213, fol. 33r.