Metadaten

Nikolaus [Editor]; Hoffmann, Ernst [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 3. Abhandlung): Cusanus-Texte: I. Predigten, 1: Dies sanctificatus vom Jahre 1439 — Heidelberg, 1929

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39951#0015
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctificatus“.

15

dieses sein kann und ein anderes nicht, da er alles in allem
ist. Du findest darum mehr Wahrheit in der verneinenden
Theologie, nach welcher Gott, der alles ist, nicht irgendein Ein-
zelnes von allem, sondern das vollkommen-einfache Prinzip ist,
das in seiner Unendlichkeit alles enthält, da er ebenso Gerechtig-
keit ist wie Wahrheit, Friede und alles, was im Himmel und auf
Erden Vollkommenheit bezeichnet. Denn er ist die Vollkommen-
heit selbst, an der alles Vollkommene teilhat.
Alles aber, insofern es ist, ist eines. Wenn also alles an der
Einheit — die auch Seinsheit genannt wird — teilhat, und zwar
so, daß Vernunft, Verstand und Sinnendinge — nicht alle Dinge
haben ja an Vernunft oder Verstand teil — in ganz verschiedenem
Grade teilhaben: so ist deutlich, daß eher als irgend etwas anderes
Gott die Einheit zukommen muß, die die absolute Seinsheit
oder Form des Seins ist, durch welche alle Dinge das sind·, was
sie sind. Gott kommt daher nicht eine Einheit zu, der die Vielheit
entgegengesetzt ist, sondern die unendliche Einheit, die alles
in sich begreift, die in ihm zugleich Gut-sein ist; denn die formale
Ausdehnung der Seinsheit ist so zu verstehen, daß sie alles umfaßt,
ohne sich je an einen besonderen Begriff zu binden. — Durch
diese Überlegung wird klar, was es bedeutet, wenn geschrieben
steht: „Ich bin der ich bin“, „Gott ist Einer“, usw.
Wenn wir nun Gott im Verhältnis zum konkreten Sein be-
trachten, so sehen wir deutlich, daß es Gott angemessener ist, nach
einem in höherem Maße konkreten, an Kräften reicheren und
mehr in sich begreifenden Sein als nach einem auf niedrigerer
Stufe stehenden genannt zu werden. So sind Namen wie Geist,
Vernunft und Verstand, Gerechtigkeit, Wahrheit und überhaupt die
Namen von dem, was in seiner „Einfachheit“ den Sinnen entzogen
ist, Gott angemessener als Feuer, Wasser, Luft und dergleichen.
So betrachte denn die abstrakte Einheit — die zugleich Seins-
heit ist — in der Art, wie sie alles in sich begreift. Nichts kann ja
außerhalb ihrer sein; denn wie ließe sich ein Sein außerhalb des
Seins denken ? Aber auch das Nicht-Sein ist nicht außerhalb ihrer,
ebensowenig das Nichts; denn das Nicht-Sein ist in der unendlichen
Einheit eins mit der vollkommen-einfachen Seinsheit. Außer-
halb der Unendlichkeit nämlich läßt sich weder ein Sein noch ein
Nicht-Sein als vorhanden denken. Doch innerhalb der vollkommen-
einfachen Seinsheit ist keine Andersheit oder Vielheit mehr, weil
sie ja die unendliche Einheit ist; deshalb ist, was gesagt und was
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften