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Thomas; Heller, Emmy [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 4. Abhandlung): Die Ars dictandi des Thomas von Capua: kritisch erläuterte Edition — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39952#0055
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Die Ars dictandi des Thomas von Capua.

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dem kunstvollen Periodenbau an der Kurie beimaß —• an dem vor-
her gebrauchten oberitalienischen Beispiel erörtert wird34, so zeigt
das wohl am ehesten, wie unmittelbar die ursprüngliche ars in den
Kanzleibrauch einbezogen wurde.
Und zwar vermutlich bald, nachdem der junge Gapuaner in
rascher Karriere an die Spitze der höchstgestellten kirchlichen
Kanzlei gelangt war35 und die Entdeckung gemacht hatte, daß seine
Kanzlisten und Notare keineswegs über den Grad von formaler Bil-
dung verfügten, den eine exakte Zusammenarbeit erforderte. Da
unternahm er es mit Hilfe seines Kompendiums, dem er nur die be-
sonderen Regelfeinheiten und aktuellen Namen einfügte — für die
Kursuslehre konnte er auf die Traktate Alberts und Transmunds
verweisen — sie zum Bessern zu schulen, damit sie „erfahren
in der Kunst der Künste, nicht länger blinde Blindenführer
wären“. Diese programmatische Zielsetzung der rhetorischen
Eingangs- und Schlußproemien, die den ganzen überlegenen
Stolz des kurialen Beamten ausdrücken und fraglos Thomas’ eigene
Diktion verraten, läßt wohl mit Sicherheit auf eine auch münd-
lich vorgetragene Unterweisung schließen, in der der Kardinal
gleich andern großen Stilgestaltern am Vorbild seiner Briefe
und Diktate die praktische Ergänzung zu dem theoretischen
Leitfaden bot36. Zwar zeigen sich unter den Beständen der

34 Abschn. 28. Diese Erörterung sowie die ablehnende Kritik in Abschn.
29 (s. vor. Seite) sind die einzigen stiltechnischen Erörterungen der ars, die
damit offenbar nur die unerläßlichsten Grundforderungen hervorheben will,
und im übrigen auf eine Darlegung grammatischer und stilästhetischer Proble-
me, wie sie die modernen oberitalienischen Lehrbücher — gerade auch im
Hinblickj auf die komplizierte neue Schreibweise —- in breitestem Ausmaß
brachten, bewußt verzichtet. Der Ablehnung der sinnverhiiilenden Konstruk-
tionen entsprechen die Diktatleistungen der Summa, soweit sie auf Thomas
zurückgehen, fast durchweg, sodaß ein Überwiegen spielerisch gefüllter
Perioden geradezu ein Kriterium für fremde Bestände bildet.
35 Aach Maßgabe der Kaiserformeln, die Friedrich nie als electus nennen,
käme streng genommen erst eine Verwendung der ars nach 1220 in Frage, doch
lassen die Lesarten Innozenz vgl. S. 53 Anm. 27 sowie das Fehlen von S. Sabina
in Pie., L 2., vgl. S. 54 Anm. 29 auch eine frühere Benutzung vermuten;
1216 April 25. datiert Thomas zuerst als Kardinal von S. Sabina, vgl. Delisle,
bibl. ec. ch. 1858, S. 45 (nicht bei Potth.).
36 Ein Schüler dieses Unterrichts wird sicherlich der Magister Symon
von Venafro gewesen sein, der dann später selbst ein Formularium zusammen-
stellte und dafür Diktate aus den beiden Sammlungen des Meisters entnahm.
Vgl. PIampe-Hennesthal, N. A. 47 S. 418ff.
 
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