Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0004
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4

Ernst Hoffmann.

der Mystik jene radikale Wendung gab, daß er einer Erkenntnis-
lehre nicht mehr im Wege stand, sondern sie begründen half, kon-
struierte auch das erste Hygrometer aus trockener Wolle; der
Wiederentdecker des logischen Principium identitatis indiscerni-
bilium auf neuer Basis war zugleich der Mann, der als erster (ohne
hier von dem antiken Vorbild etwas zu wissen) den Puls mit der
Wasseruhr zählte. Man kann auch für die Kosmologie seine Tat
in einem Satze zusammenfassen: er rückte aus originellen Gründen
die Erde aus ihrer früher angenommenen Ruhelage im Mittel-
punkt der Welt und erkannte das Weltganze als eine grenzenlose1,
homogene Einheit.
Aber unsere Absicht ist nicht, über die sehr strittigen2 Einzel-
heiten seiner Erdbewegungslehre mehr Klarheit zu schaffen als
bisher geschehen ist; sondern vielmehr nach Möglichkeit problem-
geschichtlich zu verstehen, in welcher Art und Form Nikolaus
grundsätzlich philosophierte. Was bedeutete ihm das Universum?
Mit welchen gedanklichen Mitteln machte er es zum Gegenstand
einer wissenschaftlichen Betrachtung ? In welchem Zusammen-
hang mit den anderen Problemen seiner Philosophie stand das
Problem des Universums ? Diese Fragen wollen wir beantworten,
um generell zu begreifen, wie die allgemeinen Voraussetzungen
seines Systems die Bearbeitung jeder Einzelfrage bestimmten, und
wie andrerseits die Einsicht in die besonderen Probleme ihn ver-
anlaßte, seiner Lehre eine bestimmte Systemform zu geben.
Wenn es sich bei Nikolaus noch um reine Scholastik handelte,
so würden wir unter Universum zu verstehen haben eine Hierarchie,
die mit dem Korporalen und Naturalen beginnt und über Spiri-
tuales und Supranaturales stufenförmig zu Gott auf steigt; das
Universum wäre also grundsätzlich noch der aristotelisch-ptolemä-
ische Kosmos.
Wenn es sich schon um Renaissance handelte, so würde Uni-
versum bedeuten den unendlichen Raum mit den bewegten Massen
1 Grenzenlos = semper admittens excedens et excessum.
2 Ich verweise nur auf E. F. Apelts Darstellung in seiner Reformation
der Sternkunde S. 15 ff. und auf A. Hellers Geschichte der Physik I S. 210ff.
Gut orientierend über die Forschungsmethoden des Cusanus sind H. Dinglers
Bemerkungen in Das Experiment S. 230ff. — Da eine Klärung der Kontro-
versen über die Kosmologie des Cusanus auf Grund der bisher mangelhaft
herausgegebenen Texte kaum möglich ist, so halte ich es für nützlicher, in
einer Beigabe den von R. Ivlibansky gelesenen Text eines wichtigen Doku-
mentes im Wortlaut zu bringen, als aufs neue über unzureichendes Material
zu diskutieren.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften