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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0005
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Cusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.

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seiner vielen Welten; wir hätten es also mit der Erneuerung des
epikureischen Naturbegriffs zu tun, mit einem atomistischen und
mechanistischen Weltbilde.
Bei Nikolaus, dem Philosophen des deutschen Humanismus
christlicher Prägung, ist das Universum1, die „Machina mundi“,
weder jenes noch dieses.
Das Universum ist ihm vor allem ein maximaler Inbegriff, den
er mit größter logischer Schärfe in alle Konsequenzen ausdenkt. Das
Universum ist ihm das 'Alles5 mit begrifflichem Abzug Gottes;
Gott allein ist das von der Welt 'Abgelöste5, das Absolutum. -
Das Universum ist ihm das grundsätzlich und dauernd 'Andere5;
es ist die Totalität des überall und immer Anderen, wo es kein Ding
ohne andere Dinge gibt, keinen Begriff ohne die Ordnung der an-
deren Begriffe, keine Zahl ohne die Reihe der anderen Zahlen; Gott
allein ist das Non aliud. — Das Universum ist ihm 'das Eine in
der Vielheit5; Gott ist die Einheit, die kein Vielerlei kennt. Gott
allein also ist über allem Sein. Das Universum ist der Inbegriff
des Seins2 * *, des wahrnehmbaren und denkbaren, des sinnlichen
und des unsinnlichen Seins.
Dieser universale Inbegriff kann unter drei Gesichtspunkten
gedacht werden: erstens als das von Gott Verschiedene; zweitens
als das in sich Totale; drittens als das durch einen Zweckhegriff
mit Sinn Erfüllte.
Um dies zu zeigen und um klar zu machen, wie hier ein ein-
heitliches methodisches Prinzip entdeckt ist, welches in neuartiger
und umstürzender Weise alle Provinzen des Denkens durchdringen
muß, trage ich in Umrissen drei Lehrstücke vor, für welche die
Docta ignorantia die Grundlage bildet, auf der Cusanus zeitlebens
weitergebaut hat.

1 Der antike Ausdruck Universum war zur Zeit des Cusanus einfach die
Bezeichnung für die Gesamtheit der Welt, für die 'gemain samlung aller
creatur’. Vgl. L. Diefenbach, Gloss. lat.-germ. 627. Daß aber seine Lehre
vom Universum originell ist, betont Cusanus selbst: er suche pauca de universo
supra philosophorum communem viam elicere rara multis. D. ign. III, 12.
2 Universalis unitas essendi ab illa, quae maximum dicitur absolutum,
et hinc contracte existens uti Universum, cuius quidem unitas in pluralitate
contracta est, sine qua esse nequit. Quod quidem maximum, etsi in sua uni-
versali unitate omnia complectatur, ut omnia, quae sunt ab absoluto, sint
in eo et ipsum in omnibus, non habet tarnen extra pluralitatem, in qua est,
subsistentiam, cum sine contractione, a qua absolvi nequit, non existat. D. ign.
I, 2. Universum unum perfectum continuum III, 1. Praecessit omnia II, 5.
Unum infinitum esse II, 1. Universi identitas II, 4, trinitas II, 7.
 
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