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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0015
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Cusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.

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selber nimmt nicht additiv zu, sondern entwickelt sich durch Ent-
faltung eines komplizit in ihm liegenden Gehaltes. 'Vergebens-
haben die meisten, die auf die Weisheit Jagd gemacht haben, sich
bemüht, die Wesenheiten der Dinge zu ergreifen. Der Intellekt
ergreift nicht, was er nicht in sich selber findet.’ Doch ist er
'nicht das Prinzip der Dinge, er hat nicht die Aufgabe, ihre Wesen-
heiten zu determinieren — das ist Sache des göttlichen Verstandes—,.
sondern unser Verstand ist Prinzip seiner eigenen Verfahrensweisen,
die er determiniert, und diese hat er sämtlich begrifflich (notio-
naliter) in seiner eigenen Kraft komplizit enthalten’ (De venat. 29)..
Diese Entfaltung aber ist ein Prozeß, der sich dem Begriffe nach
grenzenlos fortsetzen kann. Indem der Intellekt also dieses Prin-
zips seines Wesens sich bewußt wird, erkennt er sich als ein zur
Unendlichkeit der Entfaltung berufenes Wesen. Nun ist aber diese
Ausfaltung des ursprünglich Einfältigen — handschriftlich steht für
complicatum vereinzelt auch implicatum— die alleinige Art echten
Werdens; was wir im Körperlichen an Werden wahrnehmen, kann
nur vom Geistigen aus gedeutet werden: 'Was sucht alle Sinnen-
tätigkeit anderes als Verständigkeit, was der Verstand anderes als
das Vernünftige, was die Vernunft anderes als den wahren1 * * * Grund ?*
So kann also dieser Gedanke auch spekulativ gewendet werden
das gesamte Geschehen des Weltprozesses muß gedacht werden
1 So heißt es in De genesi, und zwar wird dieser Gedanke entwickelt
am Begriff.des docere: Um den Schüler zur 'Identität5 mit dem Lehrer heran-
zubilden, macht der Lehrer die Stille (silentium) zu einem seinem Begriffe
ähnlichen Laute; der Laut ist Möglichkeit und Stoff, daß auf dem Wege der
Artikulation Silben und Wörter entstehen. Est deinde verbum magistri sic
prolatum: in se tenens triplicem ordinem. Nam est ipsum tale verbum sensibile
et sensihilibus tantum auribus attingitur, per penitus vocabula ignorantes, et
hic modus est bestialitatis. Omnes enim bestiae cum homine ignorante voca-
bula non aliud quam vocem articulatam attingunt, est deinde verbum ipsum
rationale, quia per scientes vocabula attingitur. Unde cum sola ratio vocabula
Capiat, sic attingitur per hominem tantum sermo magistri et non per bestias.
Sed quia potest grammaticus tantum attingere sermonem et non mentem
magistri, qui in sermone, conceptum mathematicum vel theologicum nititur
explicare . . . Video enim apertissime in praemisso paradigmate omnem na-
turam servire intellectuali, sicut eius assimilationes, ut ipsa sit signaculum
verae et absolutae causae, atque ut sic omne ens < eius > medio attingat fontem
sui esse. Nam quid quaerit omnis sensibilis inquietatio nisi discretionem seu
rationem ? Quid quaerit omnis ratiocinatio nisi intellectum, quid quaerit omnis-
intellectus nisi veram absolutam causam: idem omnia quaerunt, quod est quid
absolutum, cuius signaculum extra intellectualem regionem non reperitur. (Der
Straßburger Inkunabeldruck hat statt veram: variam.)
 
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