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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0028
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Ernst Hoffmann.

dem Dialogus de pace seu concordantia fidei führt Cusanus aus:
So wie Gott sich zur Welt verhält, so verhält sich auch der Eine
wahre religiöse Grundgedanke zu den verschiedenen, empirisch
gewordenen Religionen. Die Complicatio des reinen Gottes-
gedankens, der Einen wahren Religion ist explizit geworden in
der Mannigfaltigkeit der verschiedenen religiösen Sekten: 'Unareli-
gio in rituum varietate’. Das Absolute ist uns auch hier nur negativ
faßbar. Wie endlicher Kreis und endliches Vieleck beide nötig
sind, damit wir von ihnen aus das Unendliche als Ort der Koinzidenz
aufsuchen, so ist die Vielheit und Verschiedenheit der empirischen
Religionen das Zeichen, daß jede einzelne von ihnen doch nur Ver-
treterin des absoluten religiösen Gedankens ist; alle einzelnen sind
nur inadäcpiate Symbole für die Reinheit der Una religio. Aber
eben deshalb soll jede einzelne sich bescheiden, weil sie immer nur
auf begrenzte und eingeengte Weise den absoluten Gedanken zum
Ausdruck bringt, der im Grunde allen Religionen gemeinsam ist.
Man sieht sofort wieder die durchschlagende Wirkung des
Platonischen Gedankens der Teilhabe1 und damit des prinzipiellen
Dualismus zwischen dem Einen an-sich-seienden Wesenhaften und
dem Vielerlei der erscheinenden Partizipationen. Aber gerade an
diesem Lehrstück sieht man nun weiter auch den tieferen Sinn dieses
Vielerlei. Die Varietas rituum ist kein chaotisches Durcheinander
willkürlich vieler Spielarten; sondern jede einzelne Kirche oder
Sekte bringt individuell, bringt nach Maßgabe individueller Eigen-
art das Absolute zum Ausdruck, wie die Eine Logik in den ver-
schiedenen Sprachen denselben Sinn, aber individuelles Gepräge
hat. Die Individualität ist nicht nur hoffnungslose Unfähigkeit, das
Absolute je zu erreichen, nicht nur rettungslose Andersheit im
Kontrast zum Wahren, Einen, sondern: das Individuelle ist nun-
mehr gerade die Form, in welcher allein die Erscheinung Wesen-
haftes abprägen und ausprägen kann2. Das Individuelle darf nicht
abgetan oder gar zerstört werden, sondern es muß gepflegt und
ausgebildet werden, denn in ihm ganz allein liegt Redingung und

1 D. ign. III, 1 wird aus der Methexis das Princ. ident, indisc. abgeleitet
und im Zusammenhang mit dem Individualitätsgedanken bereits die unitas
et pax gefordert: ut quisque in seipso contentetur.
2 De pacel: Quodsi forte haec differentia rituum tolli non poterit,
aut non expedit, ut diversitas sit devotionis adauctio, quando quae-
Jibet regio suis ceremoniis quasi tibi regi gratioribus vigilantiorem operam
impendet, saltem ut sicut tu u-nus es, una sit religio et unus latriae cultus.
 
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