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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0040
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40 E. Hoffmann. Gusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.

bolice investigare’. In allererster Linie ist Gott für Cusanus weder
Substanz noch Ursache noch Zweck der Welt noch auch der Ratio
grundsätzlich konträr, sondern Gott ist ihm jenes 'Sinnvolle’, für
welches die Welt Symbol und Zeichen ist: der rUnsinn’, welcher
durch Endliches nur vertreten werden kann. Gott verhält sich zu
der Welt wie Eine Wortbedeutung zu den zahllosen Wortkörpern
der vielen möglichen Sprachen; wie Eine Idee zu den grenzenlos-
vielen Symbolen, in denen man versuchen kann, sie zum Ausdruck
zu bringen. Das Cusanische 'Signum’ ist am nächsten verwandt
dem Platonischen GTjgemv. Die Scholastik hat gefordert, die Welt
als das von Gott geschriebene Buch zu lesen. Cusanus macht da-
mit ernst: er deutet das Gelesene. Er fragt nicht mehr nur nach
dem Was, Warum, Wozu, sondern nach dem Wie. Deshalb löst
sich bei ihm das statische System scholastischer Begriffe auf und
führt zur Begründung einer Analysis des Werdens.
Die Kategorien der Ursache und des Zwecks und der Wesen-
heit treten zurück hinter der neuen Kategorie der Bedeutung. Nun-
mehr werden auch die drei Lehrstücke in ihrer Einheit klar: Gott
ist der Sinn der Welt. In ihm verliert das Werden Gegensätz-
lichkeit und Widersinn: Coincidentia oppositorum. Gott ist der
Sinn der Welt, der Eine, Ursprüngliche, der aller Vielheit zu-
grunde liegt wie die Eins der gesamten Zahlenreihe: Complicatio und
Explicatio. Gott ist de r Sinn der Welt; Sinn aber will verstan-
den sein, und Verstehen bedarf des Mittels; das Mittel ist Christus,
der Mittler zwischen Gott und Welt: Concordantia und Christologie..
Als Resultat haben wir festzustellen : Aus der Arbeit an schola-
stischen, mittelalterlichen Problemen wächst unter dem bestim-
menden Einfluß der griechischen Philosophie der neue Gedanke
heraus, vermöge dessen Cusanus seinen Weltbegriff findet. Hier-
durch wird er der erste genuine Platoniker in der christlichen
Philosophie und der philosophische Klassiker des deutschen Huma-
nismus. Das Universum ist ihm weder identisch mit dem Absoluten
(wie der spätere Pantheismus will), noch mit dem summativen
'Alles’ (wie der frühere Dogmatismus wollte); sondern Universum
ist ihm vor allem derjenige Totalitätsbegriff, der die in Relationen
sich vollziehende rationale Erkenntnis ermöglicht und trägt. Hierin
ist ihm einer vorangegangen, der Platon des Timaios; und einer vor
allem ist ihm gefolgt, Bruno. Mit beiden hat er gemein den Ge-
danken vom Kosmos als dem Ganzen der Weltgesetzlichkeit; aber
gegen beide abgehoben ist sein Gedanke des in höchster christ-
licher Sinnerfüllung kulminierenden Kosmos.
 
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