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Friedrich Gundolf:
berühret seyn wird. So habe ich auch keine andere Ordnung
halten können / oder wollen / als wie sie der text des Lucani ver-
anlasset. . .“
Diese Vorrede gleicht den meisten, womit ansehnliche
Würdenträger solche poetische Nebenstunden selbstgefällig-ver-
schämt oder behäbig-neckisch oder hoffärtig-bescheiden recht-
fertigen. Die Schilderung, wie das Buch als „Spielwerck“ auf der
„kutschen“ oder in Gasthöfen entstand, als „eine zulässige er-
getzung“, soll zugleich den Grandseigneur bekunden, der solche
heiles lettres-sachen aus dem Ärmel schüttelt, und den gewaltigen
Magister, der auch nicht eine Stunde müßig verbringt und sich der
Humaniora noch vor Bett und Tisch befleißigt. Die beiden Ideale
europäischer Bildung, welche in Dichterfürsten wie Petrarca
und Bonsard, oder in hohen Bildungsherrn wie Sidney und Ra-
leigi-i sich verkörperten, und in Deutschland seit der Reformation
immer weiter auseinander getreten waren, das Höfische und das
Gelehrte, oder Pracht und Wissen, suchte im Nachtrab der fürst-
lichen Dilettanten, Kenntnispoeten und Prunkschranzen vom
Palmenorden und dergleichen, der kurfürsthch-brandenburgische
Geheimrat in Personalunion zu wiederholen, und tat das herab-
lassend dar in seinem Vorwort. Das seltsame Gemisch aus An-
maßung von oben und Unterwürfigkeit von unten, von Amtsstolz,
Wissensdünkel und züchtiger Unsicherheit, dem wir im ganzen
deutschen Literaturbetrieb der besseren Stände des 17. Jahr-
hunderts begegnen, dröhnt und räuspert sich auch hier. Leider
fehlen uns Morhofs Gründe zu seiner Bekehrung. Sie wären für
die deutsche Barock-poetik wichtiger als Seckendorffs Zufrieden-
heit mit dem Ergebnis seiner emsigen Muße. Wir dürfen sie aber
erraten. Eine Dichtung des Altertums, die nicht bloß zum Schul-
zweck, als Eselsbrücke, übersetzt wurde, sondern aus einem frei-
herrlichen Wohlgefallen am Redepomp, konnte des Verses nicht
entraten. Alle Prosa-übersetzungen antiker Klassiker in den nach-
humanistischen Jahrzehnten wie der ScfieinenreisseRische Homer
(1537) oder der Johan Valentin sehe Vergil (Frankfurt 1660)
gehen auf pure Vermittlung des Inhalts oder, wie Valentin aus-
drücklich vermerkt „nicht so sehr auff die Zierde und hochher-
gesuchte Redensarten der von Tag zu Tag zierlich sich erweiternden
Teutschen Sprach; als auff die Nutzbarkeit der studierenden / und
vielmehr auf den Wortverstand / als die Hoch-Teutsche Zunge in
diesem Poeten suchenden Jugend“.
Friedrich Gundolf:
berühret seyn wird. So habe ich auch keine andere Ordnung
halten können / oder wollen / als wie sie der text des Lucani ver-
anlasset. . .“
Diese Vorrede gleicht den meisten, womit ansehnliche
Würdenträger solche poetische Nebenstunden selbstgefällig-ver-
schämt oder behäbig-neckisch oder hoffärtig-bescheiden recht-
fertigen. Die Schilderung, wie das Buch als „Spielwerck“ auf der
„kutschen“ oder in Gasthöfen entstand, als „eine zulässige er-
getzung“, soll zugleich den Grandseigneur bekunden, der solche
heiles lettres-sachen aus dem Ärmel schüttelt, und den gewaltigen
Magister, der auch nicht eine Stunde müßig verbringt und sich der
Humaniora noch vor Bett und Tisch befleißigt. Die beiden Ideale
europäischer Bildung, welche in Dichterfürsten wie Petrarca
und Bonsard, oder in hohen Bildungsherrn wie Sidney und Ra-
leigi-i sich verkörperten, und in Deutschland seit der Reformation
immer weiter auseinander getreten waren, das Höfische und das
Gelehrte, oder Pracht und Wissen, suchte im Nachtrab der fürst-
lichen Dilettanten, Kenntnispoeten und Prunkschranzen vom
Palmenorden und dergleichen, der kurfürsthch-brandenburgische
Geheimrat in Personalunion zu wiederholen, und tat das herab-
lassend dar in seinem Vorwort. Das seltsame Gemisch aus An-
maßung von oben und Unterwürfigkeit von unten, von Amtsstolz,
Wissensdünkel und züchtiger Unsicherheit, dem wir im ganzen
deutschen Literaturbetrieb der besseren Stände des 17. Jahr-
hunderts begegnen, dröhnt und räuspert sich auch hier. Leider
fehlen uns Morhofs Gründe zu seiner Bekehrung. Sie wären für
die deutsche Barock-poetik wichtiger als Seckendorffs Zufrieden-
heit mit dem Ergebnis seiner emsigen Muße. Wir dürfen sie aber
erraten. Eine Dichtung des Altertums, die nicht bloß zum Schul-
zweck, als Eselsbrücke, übersetzt wurde, sondern aus einem frei-
herrlichen Wohlgefallen am Redepomp, konnte des Verses nicht
entraten. Alle Prosa-übersetzungen antiker Klassiker in den nach-
humanistischen Jahrzehnten wie der ScfieinenreisseRische Homer
(1537) oder der Johan Valentin sehe Vergil (Frankfurt 1660)
gehen auf pure Vermittlung des Inhalts oder, wie Valentin aus-
drücklich vermerkt „nicht so sehr auff die Zierde und hochher-
gesuchte Redensarten der von Tag zu Tag zierlich sich erweiternden
Teutschen Sprach; als auff die Nutzbarkeit der studierenden / und
vielmehr auf den Wortverstand / als die Hoch-Teutsche Zunge in
diesem Poeten suchenden Jugend“.