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Gundolf, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 2. Abhandlung): Seckendorffs Lucan — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40153#0010
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10

Friedrich Gundolf:

metscher damals gern in den Text selbst hineinarbeiteten. Der ge-
drungenen Dunkelheit des spanischen Lateiners blieb Seckendorff
näher als seine zeitgenössischen Dichtgenossen mit ihren Über-
tragungen demPersius und Juvenal, entlastet von den Lehrpflichten
als Versifex. Die Dunkelheiten des schlesischen Schwulsts kommen
aus dem Verlangen, den planen Sinn in bunten Bäuschen zu ver-
stecken, damit er beträchtlicher einherrausche oder stolziere. Lucan
selbst ist im Altertum einer der ersten Träger solchen Pomps, ein
Ahn des Gongorismus, und vermöge seiner lateinischen Dignität
und seiner moralischen Pathetik mehr nach dem Geschmack
Seckendorffs als er seiner eigentlichen Kunst nach hätte sein
können. Denn der hallensische Kanzler schrieb schon in einer Zeit,
da die Mast der Lohenstein und Hoffmannswaldau wieder
abgemagert war und man den Geschmack an den fetten Kühen
mindestens in Norddeutschland verloren hatte. Trotz dem Bestre-
ben sich am lateinischen Text möglichst dicht zu halten und die
poetischen schweren Wörter „nicht leichter zu machen, als sie im
Latein sind“, keine „Paraphrasin“ und Auslegung, sondern eine
„Version“ zu schreiben, hat Seckendorff doch die Verszahl jedes
Gesanges durchschnittlich etwa um einige Hundert vermehren
müssen. Das erste Buch des Lucan hat 695 Verse, bei Secken-
dorff 903, aus 736 lateinischen des zweiten hat er 928 deutsche,
aus 762 des dritten 957 gedehnt. Die deutsche Sprache war vor
Ivlopstock, auch beim redlichen Willen zum Gewicht, noch nicht
der lakonischen Pressungen und Prägungen fähig, sondern allen-
falls der spitzig sinnreichen Kürze (wie bei Fleming oder Gry-
phius, besonders in Sonetten) . . eher des getragenen Umstands,
dessen sinnfälliges Modezeichen die Allongeperücke ist.
Durch den Wegfall des Reims verlor eine der bestbefolgten
Opitzianischen Alexandriner-gewohnheiten ihren Sinn oder Reiz:
der Wechsel männlicher und weiblicher Reimpaar-endungen.
Seckendorff verwendet zu seinen reimlosen Alexandrinern männ-
liche und weibliche Schlüsse so unregelmäßig wie die deutschen
Blankversdichter. Sie bekommen dadurch etwas vom Gang der
Senare aus der griechischen Tragödie. Auch der Universalregi-
strator Schottel kannte den Zwölfsylbig-Kurtzlangen oder Drey-
zehnsylbig-Kurtzlangen Vers (iambicus duodecasyllabus, seu tri-
meter acatalecticus, und iambicus trisdecasyllabus, seu trimeter
hypercatalecticus) nur in Reimversen oder Alexandrinern. Erst
nach Klopstock fand man den theoretischen Mut, das klassische
 
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