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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0031
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Fabel, Aretalogie. Novelle. 31
E. Zum Fortleben der Phädrusfabel
und einer Episode der Charite-Novellen.
„Der arme und der reiche Freier“ bezeichnet Wienert das
Gedicht im Anschluß an den handschriftlichen, wenn auch nicht
von Phädrus herrührenden Titel. „Wer das Glück hat, führt die
Braut heim“ schlug Lukas vor, wobei das irrationale Moment des
Götterwaltens gut zum Ausdruck kommt. Der Rolle des Esels würden
wir mehr gerecht, wählten wir als Überschrift „Der graue Zelter“,
nach Analogie eines Fabliaus.
1. Das Fabliau Du vair palefroi.
Auf das Fabliau des Huon le Roy1 war Thiele von E. Maass
hingewiesen worden. Er betrachtete es als einzige Parallele zu
Phädrus in der Weltliteratur, da er an Apuleius nicht gedacht hatte.
Dies Fabliau, von Bedier 284 als conception purement litteraire
bezeichnet, beruht ohne Zweifel auf Phädrus. Transportes le conte
de Phedre, sagt Bedier 120, sans y rien modifer d’essentiel, dans un
milieu chevaleresque. Transformez seulcment l’humble landet en un
noble palefroi; confiez le sujet ä un po'ete moins desesperement sec que
Phedre: ce sera le charmant fabliau d'TIuon le Pioi. Abgesehen von
dieser Umsetzung in die andere Welt und der Ausdichtung zu einem
langem Poem (1343 Verse) ist das bei Phädrus nur noch schwach
vertretene aretalogische Element ganz ausgemerzt. Dank erhält der
Zelter so wenig wie in der Fabel.
2. Julius Grosse, Der graue Zelter.
Um so überraschender war es mir, zu sehen, daß im „Grauen
Zelter“ von Julius Grosse, der den Stoff in die Umwelt Watteaus
transponiert (aber recht wenig von dessen Geist zeigt),2 diese beiden
Momente, die nach unserer Auffassung für Phädrus’ Vorlage wesent-
lich waren, hier bewußt und betont hervortreten. Ganz aretalogisch
ist die Ankunft des Zelters Miranda mit der schönen Isaure beim
Haus des Desire geschildert, charakteristisch ist der Mythenvergleich,
das Wiehern — man denkt an Apuleius — (180f.):

1 Montaiglon-Raynaud a. oben S. 8, A. 1, a. Ο. I, no. 3. Bedier a. a. 0. 120,284.
In Prosa nacherzählt von E. v. Bülow, Novellenbuch I, 46 ff. In Versen von W. Hertz,
Spielmannsbuch 2 201 ff.; er weist mehrere neuere Bearbeitungen nach, die mir,
abgesehen von der nachher zu erwähnenden Grosses, nicht zugänglich sind.
2 Entstanden 1858. Vgl. J. Grosse, Ausgew. Werke 1, 2, S. 124—183.
 
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