32
Otto Weinreich:
„Bist du ein Gott, mit Flügeln machtbeschwingt?
Bist clu ein Engel, der clie Braut mir bringt?“
. . . Gott hört noch Menschenflehn,
Gott tut noch Wunder, uncl beschützt die Treue . . .
. . . Und der Zelter stand
mit laidem Wiehern. . . .
Wohl w'ars ein Gott, der ihm die Pfade wies.
Bezweifelt alles, laßt Miranda dies
Verdienst mir ungeschmälert.
(Die „Wahrheitsversicherung“ der typischen Aretalogie! Dann die
πρόνοια, favor caelitum:)
Der Vorsehung dient jeder Weg zum Ziel,
fragt nicht, warum ’s ihr diesmal so gefiel.
Zum Schluß nach der Hochzeit werden die Ehren des Pferdes ge-
schildert (183):
Und du, Miranda, edles Liebesroß,
in Ehren magst du altern sorgenlos.
Mit Bosen sei geschmückt dein greises Haupt
und nie ein Blatt aus deinem Kranz geraubt.
Wie bei Apuleius oben S. 17! Und wie Charite an andere
Fälle denkt und literarische Bearbeitung vorschlägt, so geschieht
es auch hier im Gedichtschluß:
Jedem holden Paar
sende der Himmel einen grauen Zelter,
und ihm auch einen Sänger und Vergelter!
Ich weiß nicht, ob Grosse die Metamorphosen kannte und ge-
wissermaßen das Fabliau mit ihnen kontaminiert, unmöglich wäre
es nicht bei einem Freunde Heyses. Im andern Fall hätten wir
ein merkwürdig intuitives Gefühl für das, was im Stoffe latent an
mitschwingendem menschlichen Empfinden ruht, und was, entwickelt,
ihm eine volle Entfaltung und Abrundung gewährt.
3. Cent nouvelles nouvelles und Malespini.
Hertz hat (S. 412) auf eine teilweise Motivparallele zum Fabliau
in den Gent nouvelles nouvelles no. 31 hingewiesen.1 Ein Knappe,
der merkt, daß sein Freund zu seiner Geliebten gehen will, kommt
ihm zuvor, besteigt das vor der Tür stehende Maultier und wird
1 ed. Wright I, 183 ff., ed. Jacob 154 ff. Der Erzähler dieser Geschichte ist
Jean d’Estrec, Seigneur de la Barde (15. Jhd.). Nach Jacob p. XIX gehen die nicht
aus Boccaccio oder Poggio stammenden Stücke auf wahre Begebenheiten zurück.
Otto Weinreich:
„Bist du ein Gott, mit Flügeln machtbeschwingt?
Bist clu ein Engel, der clie Braut mir bringt?“
. . . Gott hört noch Menschenflehn,
Gott tut noch Wunder, uncl beschützt die Treue . . .
. . . Und der Zelter stand
mit laidem Wiehern. . . .
Wohl w'ars ein Gott, der ihm die Pfade wies.
Bezweifelt alles, laßt Miranda dies
Verdienst mir ungeschmälert.
(Die „Wahrheitsversicherung“ der typischen Aretalogie! Dann die
πρόνοια, favor caelitum:)
Der Vorsehung dient jeder Weg zum Ziel,
fragt nicht, warum ’s ihr diesmal so gefiel.
Zum Schluß nach der Hochzeit werden die Ehren des Pferdes ge-
schildert (183):
Und du, Miranda, edles Liebesroß,
in Ehren magst du altern sorgenlos.
Mit Bosen sei geschmückt dein greises Haupt
und nie ein Blatt aus deinem Kranz geraubt.
Wie bei Apuleius oben S. 17! Und wie Charite an andere
Fälle denkt und literarische Bearbeitung vorschlägt, so geschieht
es auch hier im Gedichtschluß:
Jedem holden Paar
sende der Himmel einen grauen Zelter,
und ihm auch einen Sänger und Vergelter!
Ich weiß nicht, ob Grosse die Metamorphosen kannte und ge-
wissermaßen das Fabliau mit ihnen kontaminiert, unmöglich wäre
es nicht bei einem Freunde Heyses. Im andern Fall hätten wir
ein merkwürdig intuitives Gefühl für das, was im Stoffe latent an
mitschwingendem menschlichen Empfinden ruht, und was, entwickelt,
ihm eine volle Entfaltung und Abrundung gewährt.
3. Cent nouvelles nouvelles und Malespini.
Hertz hat (S. 412) auf eine teilweise Motivparallele zum Fabliau
in den Gent nouvelles nouvelles no. 31 hingewiesen.1 Ein Knappe,
der merkt, daß sein Freund zu seiner Geliebten gehen will, kommt
ihm zuvor, besteigt das vor der Tür stehende Maultier und wird
1 ed. Wright I, 183 ff., ed. Jacob 154 ff. Der Erzähler dieser Geschichte ist
Jean d’Estrec, Seigneur de la Barde (15. Jhd.). Nach Jacob p. XIX gehen die nicht
aus Boccaccio oder Poggio stammenden Stücke auf wahre Begebenheiten zurück.