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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0036
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36

Otto Weinreich:

συμποσίου, κάμε των τοΰ πυρός κρουνών έ£ήρπασαν. Der Beginn des
Briefes führt uns deutlich in die „Wunderstimmung“ hinein: θεοί
μάκαρες, ίλήκοιτε και ευμενείς εϊητε' οιον άπέψυγον κίνδυνον.
Das Motiv der wunderbaren Bettung vor dem Hauszusammen-
sturz als solches ist alt; in mythischer Überlieferung haftet es an
Melampus1, der die Sprache der Tiere versteht. Als er in der
Gefangenschaft hört, wie zwei Holzwürmer sich darüber unterhalten,
sie hätten die Balken durchnagt, da läßt er sich hinaustragen und
wird gerettet; unmittelbar hinter ihm stürzt das Haus ein. Das
wird seit Hesiods Melarnpodie berichtet. Zwar ist kein Fragment
erhalten, das gerade diese Episode gäbe; doch konnte sie nicht
fehlen, da man aus ihr die Legitimation des Melampus als Seher
erkannte. Und mindestens bei Pherekydes ist noch ein Moment
der ψυχαγωγία2 dabei und ein Strafwunder. Ihn tragen nämlich
(nachdem er die Gefahr erkannt) auf seinen Wunsch jener Mann
und jene Frau hinaus, die ihn im Gefängnis zu pflegen gehabt
hatten; der Mann hatte es ordentlich getan, die Frau ihn vernach-
lässigt. Sie stand noch so nah, daß sie beim Einsturz erschlagen
wurde, der Mann aber war wie Melampus gerettet. Eine „Moral
von der Geschichte“ liegt hier schon vor, wenngleich sie unsere
Quelle, das Schob MV Hom. Od. λ 2873, nicht expressis verbis zieht.
Wir sind es gewohnt, daß Motive bleiben und fortwirken, Namen
wechseln, und daß Mythenmotive auf historische Personen übertragen
werden. Man denke nur an das oben erwähnte Kindheitswunder: das
non sine dis behütete Horazknäblein hat sein ältestes Analogon in
„Kindheitsevangelien“ von Göttersöhnen, das Bienen wunder sein
Analogon in der Pindarlegende und sonst.4 Die historischen Tat-
sachen, daß die Skopaden durch Einsturz des Bankettsaals ums
Leben gekommen waren, daß Simonides sie gefeiert hatte, daß er
die Dioskuren gepriesen hatte, mögen die kombinierende Phantasie
angeregt haben, und unter sinngemäßer Abwandlung des Rettungs-
und Strafmotivs aus der Melarnpodie hat dann einer die Simonides-

1 Darauf wies schon W. Schmid hin. Auf die Parallele von Phädrus app. 9
mit der Tiresiasbefragung in der Melarnpodie hat Thiele, Hermes 53, 348 auf-
merksam gemacht.
2 Über dies Ziel des Pherekydes vgl. v. Wilamovvitz, Berl. Sitz.-Ber. 1926, 135.
3 Jacoby, F. gr. Hist. frg. 33; soweit ich sehe, wird dieses Strafwunder sonst
nicht berichtet, dagegen die Rettung des Melampus auch bei Apollodor, Schob λ 290,
Schob Theokr. III, 43—45 b, vgl. Jacobys Kommentar S. 401.
4 Vgl. Schmid I 7, 551, 3. Heinze z. d. St.
 
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