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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0038
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38

Otto Weinreich:

Epigramme unter diesem Gesichtspunkt1 nachzulesen. Hier kann
ich nur die Gedichtschlüsse vergleichen I, 12, 7ff.:
nam subito conlapsa mit, cum mole sub illa
gestatus biiugis Regulus esset equis.
nimirum timuit nostras Fortuna querellas,
quae par tarn magnae non erat invidiae.
nunc et damna iuvant; sunt ipsa pericula tanti:
stantia non poterant tecta probare deos.
Und I, 82, 7 ff.:
et postquam domino nihil timebat,
securo ruit incruenta damno.
tantae, Regide, post metum querellae
quis curam neget esse te deorum,
propter quem fuit innocens ruina?
Aquilius Regulus wird gerettet, weil Fortuna und die Götter
über ihm walten — nebenbei bemerkt, Regulus war ein gefürchteter
Delator, sein Tod wäre sicher vielen eine Freude gewesen! —, weil
die Säulenhalle, mit Instinkt ausgestattet, weiß, daß sie erst ein-
stürzen darf, wenn er' vorbei ist, der Götterliebling. Das ganze
Ereignis ist ein Reweis für die Existenz der Götter — deos pointiert
an den Schluß gestellt —, ist ein Wunderbeweis ihrer πρόνοια. Man
erkennt, wie die epigrammatische Pointierung eines neuen, tatsäch-
lichen Falles hinausläuft auf den gleichen Gedankenkreis, der das
fabula docet des Phädrus und der oben genannten Rerichte über
die Rettung des Simonides umschlossen hatte. Ein neuer Valerius
Maximus könnte den Fall den miracula, ein neuer Älian ihn einer
Schrift de providentia deorum einverleiben — wenn der Mann nicht
zu anrüchig und Martials Uanditiae zu durchsichtig wären.
Die Simonidesgeschichte kannte Martial sicherlich, wenn nicht
.sonsther dann aus Phädrus. Und es ist \vohl kein Zweifel, daß
die Ähnlichkeit des Motivkernes ihn veranlaßte, das neue Ereignis
nach dem allgemeinen Muster dieses berühmten Falles zu pointieren,
den „Zufall“ zum „Wunder“ zu stempeln.
Es mag an der Trümmerhaftigkeit unseres Bestandes an helle-
nistischer Epigrammatik liegen, daß diese Simonidesrettung darin
nicht vertreten ist. Bekannt ist aber noch eine andere wunderbare
Bewahrung des Simonides: vor dem Tod beim Schiffbruch. Er

1 Vgl. zu dieser Problemstellung meine Studien zu Martial, Register S. 177
unter Motivvariation.
 
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