Fabel, Aretalogie, Novelle.
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einiger Bestandteile, die Romulus mit Petron gemeinsam hat gegen
Phädrus, ergibt sich, daß die Prosafabel auf die Exemplasammlung
zurückgeht, die Petron noch näher stand, während Phädrus einiges
umformte. Romulus kontaminiert also Phädrus mit jener Zwischen-
form. Durch genaue Berücksichtigung des Romulus ist Thiele über
Rohde hinausgekommen, der nur Petron und Phädrus ins Auge
gefaßt hatte. Hätte Thiele, so wie er S. 362ff. die Fabeltexte in
parallelen Kolumnen abdruckt, auch den Petron der Synopse ein-
gefügt und dessen Fassung mit anderm novellistischen Material
verglichen, wäre ihm gewiß klar geworden, daß das von Anfang
an eine späthellenistische Novelle war, die Petron nur wenig zu
verändern brauchte. Natürlich sind die Virgilzitate sein Zusatz. Ob
die Milesiae Verse enthielten, ist umstritten1; waren Verseinlagen
vorhanden, so konnte sie Sisenna, als Zeitgenosse Varros, gut in der
griechischen Form belassen, konnte sie aber auch, wie Apuleius
das Orakel, übersetzen. Petron würde dann, geistreich spielend,
statt ihrer die Virgilverse gewählt haben.
Da für diese Teile Petrons kein neuerer Kommentar vorhanden
ist, da auch Thieles Beurteilung mancher Varianten bei P. und
Ph.-Rom. nicht Stich hält, möchte ich in Form eines Kommentars
zu den vier synoptisch gegliederten Texten das Problem nach Mög-
lichkeit klären. Textkritisches berühre ich nur, wo ich von Büclielers,
Postgates und Ti-iieles Text abweiche. Um die literarischen Zu-
sammenhänge mit der antiken Novelle deutlicher zu machen, ist es
notwendig, im Kommentar vor allem Apuleius (den 2. Teil der
Charite-Novellen, vgl. oben Kap. 1) und die Kamma-Novelle2 sowie
1 Zurückhaltend Rosenblüth a. a. 0. 83, auch Immisch, N. Jahrb. 47, 1921,
418. Bejahend: Norden, Kunstprosa 3, 756 und Röm. Litt.3, 76. Die Annahme,
daß einzelne Klassikerverse als Reizmittel der Darstellung passend eingefügt waren,
ist ganz ohne Bedenken; das allein gibt ja noch kein menippeisches Kolorit und
ist in aller Kunstprosa zulässig.
2 Kamma, Gemahlin des galatischen Tetrarchsn Sinatos. Der Tetrarch
Sinorix tötet ihn, weil er Kamma nicht verführen kann. Dann wirbt er um sie;
scheinbar einverstanden, läßt sie ihn kommen, vergiftet aber ihn und sich selbst.
Als düsteres Gegenstück zur Charite-Novelle schon bei Rohde erwähnt, näher
behandelt von Anderson, Philol. 68 (1909) 539f. Überlieferung: Plutarch mul.
virt. 20 p. 257 E ff. ist besser erzählt als die Fassung in Plut. amat. 22 p. 768ff.
Nicht aus Plut., sondern aus gemeinsamer Quelle (vgl. Christ-Schmid II 754, A. 10)
bringt eine trockene Fassung Polyän strat. VIII, 39. Vgl. RE. unter Kamma,
Sinatos, Sinorix.
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einiger Bestandteile, die Romulus mit Petron gemeinsam hat gegen
Phädrus, ergibt sich, daß die Prosafabel auf die Exemplasammlung
zurückgeht, die Petron noch näher stand, während Phädrus einiges
umformte. Romulus kontaminiert also Phädrus mit jener Zwischen-
form. Durch genaue Berücksichtigung des Romulus ist Thiele über
Rohde hinausgekommen, der nur Petron und Phädrus ins Auge
gefaßt hatte. Hätte Thiele, so wie er S. 362ff. die Fabeltexte in
parallelen Kolumnen abdruckt, auch den Petron der Synopse ein-
gefügt und dessen Fassung mit anderm novellistischen Material
verglichen, wäre ihm gewiß klar geworden, daß das von Anfang
an eine späthellenistische Novelle war, die Petron nur wenig zu
verändern brauchte. Natürlich sind die Virgilzitate sein Zusatz. Ob
die Milesiae Verse enthielten, ist umstritten1; waren Verseinlagen
vorhanden, so konnte sie Sisenna, als Zeitgenosse Varros, gut in der
griechischen Form belassen, konnte sie aber auch, wie Apuleius
das Orakel, übersetzen. Petron würde dann, geistreich spielend,
statt ihrer die Virgilverse gewählt haben.
Da für diese Teile Petrons kein neuerer Kommentar vorhanden
ist, da auch Thieles Beurteilung mancher Varianten bei P. und
Ph.-Rom. nicht Stich hält, möchte ich in Form eines Kommentars
zu den vier synoptisch gegliederten Texten das Problem nach Mög-
lichkeit klären. Textkritisches berühre ich nur, wo ich von Büclielers,
Postgates und Ti-iieles Text abweiche. Um die literarischen Zu-
sammenhänge mit der antiken Novelle deutlicher zu machen, ist es
notwendig, im Kommentar vor allem Apuleius (den 2. Teil der
Charite-Novellen, vgl. oben Kap. 1) und die Kamma-Novelle2 sowie
1 Zurückhaltend Rosenblüth a. a. 0. 83, auch Immisch, N. Jahrb. 47, 1921,
418. Bejahend: Norden, Kunstprosa 3, 756 und Röm. Litt.3, 76. Die Annahme,
daß einzelne Klassikerverse als Reizmittel der Darstellung passend eingefügt waren,
ist ganz ohne Bedenken; das allein gibt ja noch kein menippeisches Kolorit und
ist in aller Kunstprosa zulässig.
2 Kamma, Gemahlin des galatischen Tetrarchsn Sinatos. Der Tetrarch
Sinorix tötet ihn, weil er Kamma nicht verführen kann. Dann wirbt er um sie;
scheinbar einverstanden, läßt sie ihn kommen, vergiftet aber ihn und sich selbst.
Als düsteres Gegenstück zur Charite-Novelle schon bei Rohde erwähnt, näher
behandelt von Anderson, Philol. 68 (1909) 539f. Überlieferung: Plutarch mul.
virt. 20 p. 257 E ff. ist besser erzählt als die Fassung in Plut. amat. 22 p. 768ff.
Nicht aus Plut., sondern aus gemeinsamer Quelle (vgl. Christ-Schmid II 754, A. 10)
bringt eine trockene Fassung Polyän strat. VIII, 39. Vgl. RE. unter Kamma,
Sinatos, Sinorix.