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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0006
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Martin Dibelius:

den Tönen der alttestamentlichen Prophetie des Maleachi, die von
dem Tag Jahves und der Mission des wiederkehrenden Elias spricht.
Nichts Anderes bedeutet der Wortlaut der Engelsbotschaft an Za-
charias (Lk. 1, 15—17):
Denn groß wird er sein vor dem Auge des Herrn,
Wein und Met soll er nicht trinken,
und heiligen Geistes soll er voll werden
schon von Mutterleib an.
Und viele der Kinder Israels
wird er bekehren zum Herrn, ihrem Gott.
Und wird einherziehn vor ihm
in Geist und Kraft des Elia,
der Väter Herzen zu kehren zu den Kindern
und die bösen Willens zum Sinn der Gerechten,
dem Herrn zu bereiten ein rechtschaffen Volk.
In diesen Versen, die rhythmische Gliederung und Parallelis-
mus zeigen, soll μέγας nicht das hellenistische Götterprädikat dar-
stellen, sondern einen „großen“ Mann, hier einen Mann Gottes,
bezeichnen. Dieses menschliche Prädikat aber wird Luk. 1, 32 von
Jesus gebraucht! Es ist nicht glaublich, daß ein Christ, wenn er
aus Eigenem frei gestaltete, den Heiland und seinen Vorläufer mit
dem gleichen Beiwort bedacht hätte. Hier ist von keiner Unter-
legenheit, also auch von keinem christlichen Gesichtspunkt etwas
zu spüren. Ebenso widerspricht auch die Ankündigung des Geistes-
besitzes allem christlichen Denken über Johannes; denn nach Mk.
1, 8; Acta 1, 5; 19, 2 ist es gerade der Besitz des Geistes, der Jesus
von Johannes, die Christen von den Täuferjüngern unterscheidet.
So hat die Gestalt des Täufers hier ihren vollen Eigenwert. Wenn
er sich des Weines enthalten soll, so braucht man das nicht als
wirkliches Nasiräat zu verstehen und mit Bedenken zu bemerken,
daß die Haartracht des Nasiräers nicht erwähnt sei. Diesen Le-
genden gelten auch dieNasiräatsbedingungen nur als asketische Mo-
tive, die beliebig gemindert werden, wie hier, oder auch gemehrt,
wie in dem Martyrium des Herrnbruders Jakobus (aus Hegesipp
bei Eusebius Hist. eccl. II 23), das noch Fleischabstinenz, Verzicht
auf Öl und Bad, Knieschwielen vom vielen Beten hinzufügt1. Was
1 Bezeichnend für die innere Einheit dieser Legendenwelt ist eine weitere
Bereicherung des Jakobus-Martyriums, die Epiphanius bei seiner Wiedergabe
des Hegesipp-BerichteS (Haeres. 78, 14) hinzufügt: danach hat Jakobus in
einer Zeit der Dürre durch andauerndes Beten Regen erlangt. Den Anlaß zur
 
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