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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0007
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Jungfrauensohn und Krippenkind.

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dann aber vom Werk des Täufers gesagt wird, deutet nicht auf ein
messianisches Heroldsamt, sondern auf profetisclies Tun: die Zu-
rüstung des Volkes für Jahve ist seine Aufgabe, und so zieht er
einher vor Gottes Angesicht mit Kraft und Geist des Elia, des
Amrehrtesten Profeten der jüdischen Legende — nicht aber geht er,
Avie ein Christ im Sinn von Mk. 9, 12f.; Mt. 11, 14 sagen könnte,
als Elias redivivus dem Messias voraus.
Die Fortsetzung der Geschichte entspricht ganz dem Stil der
Legende. Die Frage nach einem vergeAvissernden Zeichen Avird auch
II. Kön. 20, 8ff. vom König Hiskia an den Profeten gerichtet; der
Priester Zacharias aber hätte sie, so meint die Legende, einem Engel
nicht stellen dürfen. Darum wird das Zeichen zur Strafe, und Za-
charias verstummt. Auch das Motiv, daß die Menge über das lange
Verweilen des Priesters erstaunt, ist in der jüdischen Legenden-
Avolt nicht ohne Beispiel: bab. Joma 53b wird berichtet, wie das
Volk sich um einen Hohepriester (nach pal. Joma 5, 42 c ist es
Simeon der Gerechte) wegen langen Verweilens im Allerheiligsten
am Versöhnungstag geängstigt habe.
Die Legende hat hier keinen Abschluß; sie weist mit dem
Motiv der Verstummung weiter; Zacharias muß der Bannung ent-
ledigt werden. Darum ist es völlig am Platz, daß nun von der Heim-
kehr des Zacharias und der Empfängnis der Elisabeth berichtet
Avird. Wenn solches später in Jesu Vorgeschichte nicht erzählt
wird, so weist das nicht nur auf einen anderen Tatbestand (Jung-
frauengeburt), sondern auch auf eine andere formale Gestaltung:
dort schließt sich die Geburtsgeschichte nicht an die Verkündigung
an; hier fügen sich beide zusammen. Der Zwischenraum, in dem
es für die Mutter nichts zu erleben gibt, wird ausgefüllt durch die
Bemerkung: „sie verbarg sich, denn sie sprach: so tat mir der Herr
zu der Zeit, da er daran dachte, meine Schande Amr den Menschen
von mir zu nehmen“.
Freilich erstreckt sich diese Verborgenheit nach unserem Text
nur auf fünf Monate. ,,Im sechsten Monat aber ward der Engel
Gabriel von Gott in eine Stadt Galiläas mit Namen Nazareth gesandt“
— es folgt die Verkündung an Maria und der Besuch Marias bei Elisa-
beth, der drei Monate dauert —und dann kann, nach neun Monaten,

Bildung des Motivs gab in diesem Fall wohl Jak. 5, 16, 18 (Beispiel des Elias).
Aber durch dieses Motiv wird der Christ Jakobus dem Kreis der jüdischen
Regenbeter eingefügt, von denen jüdische Legenden \üel berichten: bab. Tha-
anith 23a—25b.
 
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