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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0008
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Martin Dibelius:

die Geburt des Johannes erzählt werden. Die Naht ist hier nur allzu
deutlich sichtbar. Denn was hat die Verkündigung an Maria mit der
Verborgenheit der Elisabeth zu tun ? Unmöglich kann die Sendung
des Engels nach Nazareth, unmöglich auch der Besuch der Maria bei
Elisabeth diesem zurückgezogenen Leben ein Ende bereiten; denn
die Verborgenheit hat ja in den letzten Monaten der Schwanger-
schaft viel mehr Sinn als an ihrem Anfang. Die Fünf-Monats-Frist
muß also eingefügt sein, um eine andere Erzählung unterzubringen,
aber diese Unterbrechung geschieht nicht der Elisabeth, sondern
der Maria zuliebe.
Das wird allerdings bestritten. Scharfsinnige Forscher1 ver-
treten die Meinung, daß hier ein Stück der Johanneslegende aus-
gefallen sei — und zwar eine Verkündigungsszene der Elisabeth,
zu der der Engel Gabriel in ihrem sechsten Monat gesandt werde.
Der einzige Anlaß zu dieser Hypothese liegt in der Geburtsszene:
nicht nur der vom Engel belehrte Zacharias, auch Elisabeth weiß
um den von Gott bestimmten Namen des Kindes. Also ■— könnte
man schließen — muß auch sie vom Engel belehrt sein. Aber es
entspräche kaum dem Wesen der Legende, die Botschaft Gabriels,
am erlauchtesten Ort dem Vater überbracht, nun für die Mutter
noch einmal zu wiederholen2. Wohl aber ist es echt legendär, daß
das göttliche Wissen um den Namen nun aus beiden Eltern hervor-
bricht: ein doppeltes Wunder, das den eigentlichen Inhalt der
Szene Luk. 1 57—66a bildet. Denn von der Bedeutung des Täufers
wird hier nicht mehr gesprochen auch nicht von Wundern bei der
Geburt; das Erscheinen Gabriels im Tempel hat beides, Kunde
wie Wunder, schon mit sich gebracht. Hier ist die Rede nur von
der Namengebung und der Lösung des über Zacharias verhängten
1 Yölter, Die evangelischen Erzählungen von der Geburt und Kind-
heit Jesu kritisch untersucht (Straßburg 1911), I5ff., und im Anschluß an
ihn Norden, Die Geburt des Kindes, 99.ff. Beide haben völlig recht, wenn
sie die Unmöglichkeit der Angabe vom sechsten Monat behaupten: die Marien-
verkündigung kann in der Tat nicht ohne Zwang nach Elisabeths Schwanger-
schaft datiert werden. Aber diese Erkenntnis braucht nicht zu der Umwand-
lung der Marienverkündigung in eine Botschaft an Elisabeth zu führen. Un-
natürlich und darum sekundär ist nicht die Erzählung 1, 26ff., sondern nur
die Überleitung 1, 26, eben die Worte vom sechsten Monat, und in 1, 24 die
von der Fünfmonatsfrist.
2 Die Simsonsage in Richter 13, auf die sich Yölter beruft, kennt Ver-
kündigungen an Mutter und Yater. Aber dort handelt es sich um eine wohl
überlegte. Steigerung: erst bei der zweiten Verkündigung enthüllt der Engel
die Bedeutung Simsons. Hier aber, bei Johannes, ist alles bereits gesagt.
 
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