Jungfrauensohn und Krippenkind.
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der Erzählung bietet erhebliche Schwierigkeiten, textlich wie sach-
lich. Am Text fällt auf, daß der Name der Jungfrau, also der
Hauptperson, erst nach dem Namen ihres Verlobten genannt wird,
und daß dieses den Namen Maria enthaltende Satzglied nach der
vorhergehenden Häufung ähnlicher Angaben reichlich nachgebracht
erscheint. Auch weiß man nicht recht, ob dem Josef, ob der Maria
davidische Herkunft nachgerühmt wird, obwohl diese Frage an-
gesichts einer jungfräulichen Geburt wichtig genug erscheint. Sach-
lich aber muß man zunächst bemerken, daß der Erzähler den also
eingeführten Josef später gar nicht mehr erwähnt. Die im Matthäus-
evangelium 1, 18ff. behandelte Frage, wie der Bräutigam sich zu
dem Ungeborenen stellt, das doch nicht sein Kind ist, wird hier
überhaupt nicht berührt. Ja, es scheint sogar die Existenz dieses
Verlobten einfach geleugnet zu werden. Denn Maria fragt nach der
Verheißung des Sohnes: „wie soll das geschehen, da ich mit keinem
Manne Umgang habe?“ (γινώσκω im geschlechtlichen Sinn). Diese
Frage ist nur begreiflich, wenn Maria überhaupt keinen Mann kennt,
mit dem sie in Zukunft Umgang haben wird. Eine Braut kann nicht
so sprechen, kann zum mindesten nicht darüber erstaunt sein, daß
ihr vom Engel ein Sohn verheißen wird. Wenn man in den Text
nichts einträgt1, so bleibt nach der geläufigen kritischen Inter-
pretation keine andere Aushilfe als die Streichung der Frage Marias
und der folgenden Ankündigung der jungfräulichen Geburt. Aber
es ist sehr bedenklich, aus einer Legende ein Wunder zu streichen,
und noch bedenklicher, es hier zu tun, wo sich alles gut zusammen-
fügt — wenn man nur die Erwähnung Josefs wegläßt, also auf die
oben gesperrten Worte verzichtet; man hat sie dann als Zutat des
Evangelisten anzusehen. Damit werden in der Tat alle jene text-
lichen und sachlichen Schwierigkeiten beseitigt: der allzu reich be-
packte Satz wird entlastet, die Angabe des Namens Maria fügt sich
ohne Schwierigkeiten ein, zumal wenn man nun noch το ονομα αύτής
1 Bas gilt von der Hypothese, Maria habe dauernde Keuschheit gelobt;
es gilt aber auch von der Annahme, συλλήμψγ) V. 31 gehe auf ein aramäisches
Partizipium zurück, das eigentlich meine ,,clu empfängst in diesem Augen-
blick“, und Marias Frage sei ein Protest dagegen; sie habe ja bisher noch
keinen Verkehr gepflogen (Gunkel, Zum religionsgesch. Verständnis des Neuen
Test., 67f.; Gressmann, Bas Weihnachts-Evangelium, S. 42f.). Gemäß
legendärem Stil muß man voraussetzen, daß der Engel Künftiges ankündigt
und nicht das beschreibt, was eben jetzt am selben Ort stattfindet. Freilich
hat schon die Epistula Apostolorum die Szene in dieser Weise mythologisiert ;
siehe unten. !
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der Erzählung bietet erhebliche Schwierigkeiten, textlich wie sach-
lich. Am Text fällt auf, daß der Name der Jungfrau, also der
Hauptperson, erst nach dem Namen ihres Verlobten genannt wird,
und daß dieses den Namen Maria enthaltende Satzglied nach der
vorhergehenden Häufung ähnlicher Angaben reichlich nachgebracht
erscheint. Auch weiß man nicht recht, ob dem Josef, ob der Maria
davidische Herkunft nachgerühmt wird, obwohl diese Frage an-
gesichts einer jungfräulichen Geburt wichtig genug erscheint. Sach-
lich aber muß man zunächst bemerken, daß der Erzähler den also
eingeführten Josef später gar nicht mehr erwähnt. Die im Matthäus-
evangelium 1, 18ff. behandelte Frage, wie der Bräutigam sich zu
dem Ungeborenen stellt, das doch nicht sein Kind ist, wird hier
überhaupt nicht berührt. Ja, es scheint sogar die Existenz dieses
Verlobten einfach geleugnet zu werden. Denn Maria fragt nach der
Verheißung des Sohnes: „wie soll das geschehen, da ich mit keinem
Manne Umgang habe?“ (γινώσκω im geschlechtlichen Sinn). Diese
Frage ist nur begreiflich, wenn Maria überhaupt keinen Mann kennt,
mit dem sie in Zukunft Umgang haben wird. Eine Braut kann nicht
so sprechen, kann zum mindesten nicht darüber erstaunt sein, daß
ihr vom Engel ein Sohn verheißen wird. Wenn man in den Text
nichts einträgt1, so bleibt nach der geläufigen kritischen Inter-
pretation keine andere Aushilfe als die Streichung der Frage Marias
und der folgenden Ankündigung der jungfräulichen Geburt. Aber
es ist sehr bedenklich, aus einer Legende ein Wunder zu streichen,
und noch bedenklicher, es hier zu tun, wo sich alles gut zusammen-
fügt — wenn man nur die Erwähnung Josefs wegläßt, also auf die
oben gesperrten Worte verzichtet; man hat sie dann als Zutat des
Evangelisten anzusehen. Damit werden in der Tat alle jene text-
lichen und sachlichen Schwierigkeiten beseitigt: der allzu reich be-
packte Satz wird entlastet, die Angabe des Namens Maria fügt sich
ohne Schwierigkeiten ein, zumal wenn man nun noch το ονομα αύτής
1 Bas gilt von der Hypothese, Maria habe dauernde Keuschheit gelobt;
es gilt aber auch von der Annahme, συλλήμψγ) V. 31 gehe auf ein aramäisches
Partizipium zurück, das eigentlich meine ,,clu empfängst in diesem Augen-
blick“, und Marias Frage sei ein Protest dagegen; sie habe ja bisher noch
keinen Verkehr gepflogen (Gunkel, Zum religionsgesch. Verständnis des Neuen
Test., 67f.; Gressmann, Bas Weihnachts-Evangelium, S. 42f.). Gemäß
legendärem Stil muß man voraussetzen, daß der Engel Künftiges ankündigt
und nicht das beschreibt, was eben jetzt am selben Ort stattfindet. Freilich
hat schon die Epistula Apostolorum die Szene in dieser Weise mythologisiert ;
siehe unten. !