Jungfrauensohn und Krippenkind.
17
der wird groß sein
und Sohn des Höchsten heißen
und verleihen wird ihm Gott der Herr
den Thron des David, seines Ahnherrn,
und beherrschen wird er das Haus Jakobs in Ewigkeit
und seiner Herrschaft Zeit wird nimmermehr enden.
Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das geschehen ? Mir
kommt kein Mann zu nah. Der Engel gab ihr zur Antwort:
Heiliger Geist wird über dich kommen
und des Höchsten Kraft wird sich über dich breiten
und das Heilige, also erzeugt,
wird darum Gottessohn heißen.
Maria sprach: „siehe ich bin des Herren Magd, mir geschehe
nach deinem Wort.“
Diese in sich geschlossene Erzählung von der Botschaft des
Engels an ein Mädchen ist nach Stil und Stoff eine Legende. Ihren
wesentlichsten Inhalt bilden die Sätze, die in deutlich wahrnehm-
barem Rhythmus gehalten sind. Aber nicht die jungfräuliche
Geburt steht zunächst im Vordergrund, sondern die Ankündigung
des messianischen Königs in völlig traditioneller Weise. Gerade
weil sie sich in üblichen Gedanken hält, darum ist sie völlig ein-
deutig. Der Titel „Sohn des Höchsten“ kann in Parallele zu μέγας
nicht anders verstanden werden denn als Messiasprädikat. Der
Messias ist ein Davidide und wird in Ewigkeit herrschen. Nur dies
wird von ihm gesagt; von Rettung, Heil und Freude ist keine Rede.
Die Erzählung bleibt bis dahin vollkommen im Rahmen der jüdi-
schen Gedankenwelt; auch die Sprache zeigt semitische Anklänge,
die natürlich auch auf einer Anlehnung an die Septuaginta beruhen
können (1, 26. 27), und deutlichen Parallelismus.
Die Frage der Maria führt weiter. Sie soll, so ist ihr gesagt,
Mutter des Messias werden; aber wie soll sie überhaupt Mutter
werden? Und nun antwortet der Engel mit der Verheißung, daß
der Heilige Geist das Kind erzeugen wird, das ihr geschenkt werden
soll. Das Wunder liegt in der Erzeugung; nicht in der Geburt, die
überhaupt nicht erwähnt wird. Der Ausdruck τδ γεννώμενον άγιον
Lk. 1, 35 ist also zu übersetzen: „das erzeugte Heilige1“. Der Titel
1 Die Harmonisierung mit Mt. 1, 20 τδ γάρ εν αυτή γεννηθέν hat zu
einer Textänderung und zu Mißverständnissen geführt. Schon zeitig haben
Lateiner und Syrer eine Bestimmung bei γεννώμενον gelesen, und zwar „aus
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1931/32. 4. Abh.
2
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der wird groß sein
und Sohn des Höchsten heißen
und verleihen wird ihm Gott der Herr
den Thron des David, seines Ahnherrn,
und beherrschen wird er das Haus Jakobs in Ewigkeit
und seiner Herrschaft Zeit wird nimmermehr enden.
Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das geschehen ? Mir
kommt kein Mann zu nah. Der Engel gab ihr zur Antwort:
Heiliger Geist wird über dich kommen
und des Höchsten Kraft wird sich über dich breiten
und das Heilige, also erzeugt,
wird darum Gottessohn heißen.
Maria sprach: „siehe ich bin des Herren Magd, mir geschehe
nach deinem Wort.“
Diese in sich geschlossene Erzählung von der Botschaft des
Engels an ein Mädchen ist nach Stil und Stoff eine Legende. Ihren
wesentlichsten Inhalt bilden die Sätze, die in deutlich wahrnehm-
barem Rhythmus gehalten sind. Aber nicht die jungfräuliche
Geburt steht zunächst im Vordergrund, sondern die Ankündigung
des messianischen Königs in völlig traditioneller Weise. Gerade
weil sie sich in üblichen Gedanken hält, darum ist sie völlig ein-
deutig. Der Titel „Sohn des Höchsten“ kann in Parallele zu μέγας
nicht anders verstanden werden denn als Messiasprädikat. Der
Messias ist ein Davidide und wird in Ewigkeit herrschen. Nur dies
wird von ihm gesagt; von Rettung, Heil und Freude ist keine Rede.
Die Erzählung bleibt bis dahin vollkommen im Rahmen der jüdi-
schen Gedankenwelt; auch die Sprache zeigt semitische Anklänge,
die natürlich auch auf einer Anlehnung an die Septuaginta beruhen
können (1, 26. 27), und deutlichen Parallelismus.
Die Frage der Maria führt weiter. Sie soll, so ist ihr gesagt,
Mutter des Messias werden; aber wie soll sie überhaupt Mutter
werden? Und nun antwortet der Engel mit der Verheißung, daß
der Heilige Geist das Kind erzeugen wird, das ihr geschenkt werden
soll. Das Wunder liegt in der Erzeugung; nicht in der Geburt, die
überhaupt nicht erwähnt wird. Der Ausdruck τδ γεννώμενον άγιον
Lk. 1, 35 ist also zu übersetzen: „das erzeugte Heilige1“. Der Titel
1 Die Harmonisierung mit Mt. 1, 20 τδ γάρ εν αυτή γεννηθέν hat zu
einer Textänderung und zu Mißverständnissen geführt. Schon zeitig haben
Lateiner und Syrer eine Bestimmung bei γεννώμενον gelesen, und zwar „aus
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1931/32. 4. Abh.
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