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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0028
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Martin Dibelius:

des hebräischen Urtextes, lind es mag sein, daß der Text beim
Passieren des griechischen Sprachbereiches der LXX-Übersetzung
nachgeformt wurde. Sie liest καί κύριος έπεσκέψατο τήν Σάρραν, und
nichts Anderes besagt der äthiopische Text. Der rabbinische Mi-
drasch weiß natürlich nichts von einer Ausschaltung Abrahams,
betont aber Gottes Urheberschaft bei dem Wunder der späten Zeu-
gung in verstärktem Maß: der Midrasch Genesis Rabba führt zwei-
mal (Par. 47 zu Gen. 17, 16 und 53 zu Gen. 21, 1) eine Äußerung
des R. Jehuda im Namen des Resch Lakisch (3. Jahrh. n. Chr.)
an: ,,Da sie keine Gebärmutter hatte, so höhlte ihr Gott eine solche
aus“ (Übersetzung von Wünsche S. 220. 252). Daß dieselbe Aus-
sage unter Berufung auf denselben Resch Lakisch auch von Re-
bekka und von Ruth tradiert wird1, zeigt deutlich, daß es sich um
eine Haggada handelt, die überall vorgetragen werden kann, wo
der Bann der Unfruchtbarkeit durch Gott gebrochen wird2.
Der rabbinische Midrasch kann seiner ganzen Art nach nicht
weiter gehen in der Behauptung von Gottes Urheberschaft. Er
würde seiner Scheu vor aller Mythologie nicht entsprechen und
ebensowenig seinem Konservatismus gegenüber dem konkreten
geschichtlichen Inhalt der Bibel, wenn er Gott in noch nähere
Beziehung zu solchen wunderbaren Erzeugungen bringen wollte.
Die Bibelexegese des hellenistischen Judentums ist nicht so kon-
servativ, wie ihre allegorische Auslegung zeigt. Und da dieses
Judentum sich gegenüber außerjüdischen Vorstellungen nicht so
spröde verhält wie das rabbinische, so ist ihm auch die Mythen-
scheu nicht im gleichen Grade eigen. Ein Zeuge dafür ist Philo;
allein seine Zeugen-Qualität ist dadurch beeinträchtigt, daß er
häufig stärker vom Synkretismus beeinflußt erscheint, als es im
hellenistischen Judentum sonst Am rausgesetzt Averden kann. Ein
unverdächtiger Zeuge dagegen ist der Apostel Paulus. Seine Exe-
gese ist, wie zahlreiche Beispiele lehren, nicht einfach der Bibel-
deutung des rabbinischen Schrifttums gleichzusetzen. Sie ist aber
1 Von Rebekka: Genesis Rabba 63 zu Gen. 25, 21. Dort steht auch
ein Vergleich, der das Zusammenwirken ATon Gott und Ehemann drastisch dar-
stellt: die Geschichte von einem Königssohn, der um Gold bei seinem Vater
einbricht, während dieser schon von innen „bohrt“, um ihm das Gold zu
bringen. — Von Ruth: Midrasch Ruth zu 4, 12.
2 Auch Rahels endliche Befreiung von der Unfruchtbarkeit wird Genesis
Rabba 73 zu Gen. 30, 22 im engen Anschluß an den Bibeltext auf Gott zurück-
geführt, der nach R. Tanchuma (im Namen des R. Bibi) drei Schlüssel be-
sitzt: zum Grab, zum Regen und zum Mutterleib.
 
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