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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0038
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38

Martin Dibelius:

zung. So sind gewisse Überzeugungen, so ist ihre Verkündigung
in der Predigt durchaus primär innerhalb der christlichen Tradition.
Freilich verfügte man von Anfang an über einen Bestand von Worten
Jesu und Geschichten von Jesus, die man als Material und Beleg
für die Predigt brauchte. Aber daß die Erzählungen von Jesu
Geburt und Kindheit nicht notwendig zu diesem Traditionsgut ge-
hören, zeigt das Schweigen des Paulus von diesen Dingen, zeigt
das Fehlen dieser Stücke bei Markus und Johannes, zeigt endlich
auch die oben S. 11 f. erwiesene Konkurrenz der Verkündigungs-
und der sogenannten Weihnachtsgeschichte, die zunächst selb-
ständige, miteinander nicht übereinstimmende Legenden darstellen.
Also haben diese Erzählungen keinen primären Bang innerhalb der
christlichen Überlieferung.
Die Vermutung, daß die göttliche Zeugung Jesu zuerst als
Theologumenon ohne erzählende Einkleidung existierte, wird beson-
ders wahrscheinlich, wenn man ähnliche Überlieferungskomplexe
zum Vergleich heranzieht. Vor allem ist an die Auferstehung
zu erinnern. Die Überzeugung, daß Christus auferweckt oder auf-
erstanden sei und bei Gott lebe, ist für die Bildung der christlichen
Gemeinde grundlegend und ist darum selbstverständlich in dem
alten, für uns ältesten, formulierten Kerygma enthalten, das bereits
der Apostel Paulus als Überlieferung empfing (I. Kor. 15,3ff.). Aber
diese Überzeugung hat jahrzehntelang einen Niederschlag in einer
unmittelbar berichtenden Erzählung überhaupt nicht gefunden.
Lediglich eine mittelbar berichtende Legende, die von den Folgen
der Auferstehung zu sagen weiß, ist seit dem Markus-Evangelium
bekannt, die Geschichte vom leeren Grab, Mk. 16, lff. Aber auch
sie scheint nicht primär zu sein; Paulus weiß noch nichts von ihr.
Sie scheint vielmehr ältere Erzählungen von Erscheinungen Jesu
verdrängt zu haben, auf die I. Kor. 15, 5; Luk. 24, 34 angespielt
wird. Allein auch diese haben offenbar den Auferstandenen, nicht
aber die Auferstehung dargestellt. Die älteste unmittelbar berich-
tende Erzählung von der Auferstehung, cl. h. von dem triumphie-
renden Hervorgehen Jesu aus dem Grabe, steht im Petrus-Evan-
gelium, also in einem Werk des 2. Jahrhunderts. Höchstens könnten
die völlig isolierten Sätze Mt. 28, 2—4 von dem Herabsteigen eines
lichtumstrahlten Engels zum Grabe als Auftakt einer solchen Er-
zählung gelten1; sie würden dann bezeugen, daß man damals,
1 Hierhin gehört auch der spätere Zusatz zu Mk. 16, 4 in der lateinischen
Handschrift k, der ähnliches besagt, nur von angeli im Plural berichtet und
die Auferstehung ganz kurz referiert.
 
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