Das Pindargedicht des Horaz.
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muß der tollkühne Jüngling, aber noch im Tode sichert er seinem
Namen die Unsterblichkeit1. Auf dem Ruhm, hier einem Begleit-
motiv, liegt der Hauptton an der anderen Stelle, wo Horaz den
Icarus erwähnt, carm. 2, 20, 13 iam Daedaleo notior2 3 Icaro vis am
gementis litora Bospori eqs. Hätte also Horaz 'höhnen5 wollen, so
wäre ihm jedes andere Paradeigma gelegener gekommen als gerade
dieses.
Der Dichter liebt es aber überhaupt — und auch darauf hätte
man achten müssen — kühne geistige Leistungen, die er bewundert,
als ein lebensgefährliches Unternehmen darzustellen. Von dem
echten Tragiker sagt er epist. 2, 1, 210ff. Ule per extentum firnem
mihi posse videtur ire poeta, meum qui pectus inaniter angit,
inritat, mulcet, falsis terrorihus inplet ut magus, et modo me Thehis,
modo ponit Athenis. Und in dem glühendsten Bekenntnis zu seiner
eigenen dichterischen Sendung heißt es (carm. 3, 25, 7) dicam in-
signe, recens, adhuc indictum ore alio und dann (V. 17) nil pctrvum
aut humili modo, nil mortale loquar. dulce periculum est, o Le-
naee, sequi deumz. Wer dem Gotte wie die Bakchantin durch die
Einöde des Hochgebirges folgt, der muß in jedem Augenblick den
Sturz in den Abgrund gewärtigen; der Sänger folgt ihm trotzdem.
Und wieder wird das periculum erwähnt, wo Horaz dem Asinius
Pollio bei seinem Unternehmen die Geschichte des Bürgerkriegs zu
schreiben im Geiste zuschaiit (carm. 2, 1, 6ff.): periculosae plenum
opus aleae tractas et incedis per ignis suppositos cineri doloso. Auch
hier besteht — so stellt es der Dichter dar — unmittelbare Lebens-
gefahr für den wagemutigen Historiker4: ein ungeschickter Tritt,
und das unter der trügerischen Asche glühende Feuer verzehrt ihn.
An Hohn oder Schadenfreude darf hier selbstverständlich nicht im
1 Tn Wahrheit ist ja gerade diejenige Form, des Unsterblichwerdens die
ursprünglich griechische, die nur das ideale Fortleben in dem an den Namen
gebundenen Ruhme kennt’ Werner Jaeger, Tyrtaios, Sitzgsber. Berl. Akad.
,1932, 552.
2 Diese Überlieferung wird heute nicht leicht mehr jemand antasten.,
Heinze erklärt hier ganz richtig: 'wenn Ikarus schon durch seinen kurzen
Flug bekannt wurde — seinen Namen trägt ja das Meer, in dem er endete —
so wird des Dichters Flug noch größeren Ruhm bedeuten’; das hat ihn aber
nicht gehindert in der Einleitung zu IV 2 vom 'schmählichen’ Scheitern des
Versuchs zu sprechen.
3 Daß dies, wie das ganze Gedicht, durchaus ernst genommen werden
muß, hoffe ich an anderer Stelle zu zeigen.
4 Richtig Heinze z. St.: 'dies Bild ist völlig schief, wenn es nicht meint,
daß der Historiker selbst Gefahr läuft sich zu verbrennen’.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1932/33. 2. Abh.
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muß der tollkühne Jüngling, aber noch im Tode sichert er seinem
Namen die Unsterblichkeit1. Auf dem Ruhm, hier einem Begleit-
motiv, liegt der Hauptton an der anderen Stelle, wo Horaz den
Icarus erwähnt, carm. 2, 20, 13 iam Daedaleo notior2 3 Icaro vis am
gementis litora Bospori eqs. Hätte also Horaz 'höhnen5 wollen, so
wäre ihm jedes andere Paradeigma gelegener gekommen als gerade
dieses.
Der Dichter liebt es aber überhaupt — und auch darauf hätte
man achten müssen — kühne geistige Leistungen, die er bewundert,
als ein lebensgefährliches Unternehmen darzustellen. Von dem
echten Tragiker sagt er epist. 2, 1, 210ff. Ule per extentum firnem
mihi posse videtur ire poeta, meum qui pectus inaniter angit,
inritat, mulcet, falsis terrorihus inplet ut magus, et modo me Thehis,
modo ponit Athenis. Und in dem glühendsten Bekenntnis zu seiner
eigenen dichterischen Sendung heißt es (carm. 3, 25, 7) dicam in-
signe, recens, adhuc indictum ore alio und dann (V. 17) nil pctrvum
aut humili modo, nil mortale loquar. dulce periculum est, o Le-
naee, sequi deumz. Wer dem Gotte wie die Bakchantin durch die
Einöde des Hochgebirges folgt, der muß in jedem Augenblick den
Sturz in den Abgrund gewärtigen; der Sänger folgt ihm trotzdem.
Und wieder wird das periculum erwähnt, wo Horaz dem Asinius
Pollio bei seinem Unternehmen die Geschichte des Bürgerkriegs zu
schreiben im Geiste zuschaiit (carm. 2, 1, 6ff.): periculosae plenum
opus aleae tractas et incedis per ignis suppositos cineri doloso. Auch
hier besteht — so stellt es der Dichter dar — unmittelbare Lebens-
gefahr für den wagemutigen Historiker4: ein ungeschickter Tritt,
und das unter der trügerischen Asche glühende Feuer verzehrt ihn.
An Hohn oder Schadenfreude darf hier selbstverständlich nicht im
1 Tn Wahrheit ist ja gerade diejenige Form, des Unsterblichwerdens die
ursprünglich griechische, die nur das ideale Fortleben in dem an den Namen
gebundenen Ruhme kennt’ Werner Jaeger, Tyrtaios, Sitzgsber. Berl. Akad.
,1932, 552.
2 Diese Überlieferung wird heute nicht leicht mehr jemand antasten.,
Heinze erklärt hier ganz richtig: 'wenn Ikarus schon durch seinen kurzen
Flug bekannt wurde — seinen Namen trägt ja das Meer, in dem er endete —
so wird des Dichters Flug noch größeren Ruhm bedeuten’; das hat ihn aber
nicht gehindert in der Einleitung zu IV 2 vom 'schmählichen’ Scheitern des
Versuchs zu sprechen.
3 Daß dies, wie das ganze Gedicht, durchaus ernst genommen werden
muß, hoffe ich an anderer Stelle zu zeigen.
4 Richtig Heinze z. St.: 'dies Bild ist völlig schief, wenn es nicht meint,
daß der Historiker selbst Gefahr läuft sich zu verbrennen’.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1932/33. 2. Abh.
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