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Walther Kolbe:
glückverheißenden Fortschritte im Reich der Barkiden durchge-
macht hatten. Die Stimmung der Verzweiflung war gewichen.
Man fühlte wieder die Kraft zu wirken und schöpfte aus diesem Ge-
fühl den Mut, wenn es sein mußte, einen neuen Waffengang mit
dem siegreichen Gegner durchzufechten. Zu dieser Wiedergeburt
des karthagischen Widerstandswillens trug nicht unwesentlich der
Umstand bei, daß an der Spitze des spanischen Heeres ein Mann
stand, dessen militärisches Genie in den Kriegen der beiden letzten
Jahre die glänzendste Bewährung erfahren hatte. Das Bewußtsein,
daß dem Staate in ihm ein neuer Hamilkar Barkas geschenkt war,
war ein weiterer Faktor des Widerstandes. Alles das wirkte dahin
zusammen, daß der Senat seinem Feldherrn nach Neu-Karthago
die Weisung sandte, im nächsten Frühjahr den Angriff auf Sagunt
einzuleiten. Er tat es ohne Zweifel in der klaren Erkenntnis, daß
er damit die Möglichkeit eines neuen Konflikts mit Rom herauf-
beschwor. Es wäre aber verfehlt zu glauben, daß der Krieg wegen
Sagunt entbrennen mußte. Die griechischen HistorikerChaireas und
Sosylos haben nicht umsonst von den schweren Redekämpfen in
der römischen Kurie berichtet, die durch die Nachricht von dem
Fall der Stadt hervorgerufen wurden1. Gewiß, Polybios kann sich
das aus der Mentalität des eigenen Zeitalters gar nicht vorstellen.
Aber seiner Polemik fehlt trotz ihrer Heftigkeit die überzeugende
Kraft. Wir müssen diese Debatten als eine historische Gegeben-
heit in Rechnung stellen. Sie lehren uns, daß es im römischen Senat
noch immer eine starke Partei gab, die von der Überseepolitik im
Westen nichts wissen wollte2. Es hat ganz den Anschein, als ob
man in diesen Kreisen bereit war, sich mit der Nichtachtung des
römischen Bündnisses abzufinden. In dem Vorhandensein solcher
Strömungen würde auch eine glaubhafte Erklärung für das bisher
nicht aufgeklärte Rätsel der zweideutigen Haltung Roms liegen.
Hat es doch in den neun Monaten der Belagerung auch nicht einen
Mann mobilisiert, um Sagunt Hilfe zu bringen. Erst die Zerstörung
der Stadt hat die Stellung der friedensseligen Senatoren, die vor
einem neuen Krieg mit Karthago zurückschreckten, erschüttert.
Wohl erneuerten sich die Debatten im Senat. Aber jetzt war durch
die Nichtachtung der römischen Forderung eine ganz neue Lage
geschaffen. Das Ansehen des Staates stand auf dem Spiel. Wer
jetzt noch von Frieden redete, versündigte sich an dem alten
1 Polyb. III 20, 1 ff.
2 Otto 507, 513.
Walther Kolbe:
glückverheißenden Fortschritte im Reich der Barkiden durchge-
macht hatten. Die Stimmung der Verzweiflung war gewichen.
Man fühlte wieder die Kraft zu wirken und schöpfte aus diesem Ge-
fühl den Mut, wenn es sein mußte, einen neuen Waffengang mit
dem siegreichen Gegner durchzufechten. Zu dieser Wiedergeburt
des karthagischen Widerstandswillens trug nicht unwesentlich der
Umstand bei, daß an der Spitze des spanischen Heeres ein Mann
stand, dessen militärisches Genie in den Kriegen der beiden letzten
Jahre die glänzendste Bewährung erfahren hatte. Das Bewußtsein,
daß dem Staate in ihm ein neuer Hamilkar Barkas geschenkt war,
war ein weiterer Faktor des Widerstandes. Alles das wirkte dahin
zusammen, daß der Senat seinem Feldherrn nach Neu-Karthago
die Weisung sandte, im nächsten Frühjahr den Angriff auf Sagunt
einzuleiten. Er tat es ohne Zweifel in der klaren Erkenntnis, daß
er damit die Möglichkeit eines neuen Konflikts mit Rom herauf-
beschwor. Es wäre aber verfehlt zu glauben, daß der Krieg wegen
Sagunt entbrennen mußte. Die griechischen HistorikerChaireas und
Sosylos haben nicht umsonst von den schweren Redekämpfen in
der römischen Kurie berichtet, die durch die Nachricht von dem
Fall der Stadt hervorgerufen wurden1. Gewiß, Polybios kann sich
das aus der Mentalität des eigenen Zeitalters gar nicht vorstellen.
Aber seiner Polemik fehlt trotz ihrer Heftigkeit die überzeugende
Kraft. Wir müssen diese Debatten als eine historische Gegeben-
heit in Rechnung stellen. Sie lehren uns, daß es im römischen Senat
noch immer eine starke Partei gab, die von der Überseepolitik im
Westen nichts wissen wollte2. Es hat ganz den Anschein, als ob
man in diesen Kreisen bereit war, sich mit der Nichtachtung des
römischen Bündnisses abzufinden. In dem Vorhandensein solcher
Strömungen würde auch eine glaubhafte Erklärung für das bisher
nicht aufgeklärte Rätsel der zweideutigen Haltung Roms liegen.
Hat es doch in den neun Monaten der Belagerung auch nicht einen
Mann mobilisiert, um Sagunt Hilfe zu bringen. Erst die Zerstörung
der Stadt hat die Stellung der friedensseligen Senatoren, die vor
einem neuen Krieg mit Karthago zurückschreckten, erschüttert.
Wohl erneuerten sich die Debatten im Senat. Aber jetzt war durch
die Nichtachtung der römischen Forderung eine ganz neue Lage
geschaffen. Das Ansehen des Staates stand auf dem Spiel. Wer
jetzt noch von Frieden redete, versündigte sich an dem alten
1 Polyb. III 20, 1 ff.
2 Otto 507, 513.