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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0009
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Platonismus und Mystik im Altertum

der prinzipielle metaphysische Zug, der allen Einzellehren des genu-
inen Platonismus erst ihren spezifisch Platonischen Sinn und Charak-
ter verleiht. Diese Dreiheit fügte sich fester und fester, als Platon,
ein bis zwei Jahrzehnte nach dem Tode des Sokrates1 und unter
der dauernden Wirkung dieses Erlebnisses, die Grundlagen seiner
Philosophie ausbaute und auf ihnen das Erkenntnissystem für die
Regenten des idealen Staates der Gerechtigkeit als für die Sach-
verständigen verantwortlichen Wissens errichtete2. Er forderte
drei feste Wissenspositionen:
Erstens, Grund und Sinn alles Seins und alles Geschehens
stammt einzig von Gott, vom überweltlichen Guten, dem unbe-
dingten ayahov. Dies göttlich Gute als -avTorv amov tcov ayahwv3
schenkt und erhält alles Deben, d. h. für Platon allen geordneten
‘Bestand’, so allmächtig und unbeschränkt, wie vergleichsweise
innerhalb des sichtbaren und körperlichen Weltbereichs einzig die
Sonne ihre zeugende, belebende und bewegende Wärme spenden
kann. Zweitens, alles echte Wissen, alles begründete Urteilen,
Wollen und Handeln unserer Vernunft kann sich wahrhaft orien-
tieren nur nach übersinnlichen Ideen, d. h. nach dem, was ‘fest-
steht’, nach der geordneten, bestimmten Vielheit vorbildlicher
Formen des reinen, dauernden Seins4, zu denen unser Halt und
Richtung suchendes5 Denken sich erheben muß, wie unser Auge
zu den Sternen, wenn es sichere Wegweisung braucht. Drittens,
alles Sinnliche und Dingliche, alles Wechselnde und Vergängliche
ist nur Erscheinung in Raum und Zeit; und daher, als Erscheinung,
ohne Bestand, weil alles Räumliche bis ins Unbegrenzte aufteilbar,
alles Zeitliche bis zum Zerfließen verströmend ist. Und wie, am
Guten gemessen, das bloße Phänomen des Bestandes entbehrt,
so fehlt ihm, an der Wahrheit gemessen, das Feste eines echten
Erkenntnisgegenstandes. Erscheinung ist nur Abbild originalen
1 Hiermit soll die Spanne bezeichnet sein, welche die Werke vom Gorgias
bis zur Republik umfaßt.
2 Der Staat ist für Platon ‘gewordenes Sein’. Der Staat des Perikies
war zugrunde gegangen. Wie ist das staatliche Werden so im Sein zu gründen,
daß es besteht? Das war Platons philosophisch-politisches Problem. Es hat
seine drei Seiten: den Staat, den Staatsmann, die Staatsgesetze. So hängen
Politeia, Politilcos, Nomoi zusammen.
3 Von Resp. III, 380c an. Das Nähere Resp. YI, 506eff.
4 Resp. 507bff.
5 Charakteristisch dafür der Sprachgebrauch von dai:oß}i7teiv, z. B.
Resp. VII, 532a; Y, 472c.
 
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