Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0053
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Platonismus und Mystik im Altertum.

49

zu empfangen, sondern auch fähig war, der neuen Religion so viel
Philosophie zu schenken, wie sie bedurfte, um zu einer Religion
auch für die Gebildeten zu werden. Denn gemeinsam war allen
jenen hellenistischen Philosophien ihre bereits monotheistische1
Struktur, wie das Prinzip der griechischen Logoslehre sie erforderte:
dies war derjenige Weltanschauungstypus, mit dem die christliche
Vorstellung einer göttlichen Providenz vereinbar war, denn der
Kosmos ist vernunftdurchwaltet und steht somit unter dem um-
fassenden Rück der Allvernunft2. Hierdurch unterschieden sich
unsere drei Richtungen grundsätzlich schon in vorchristlicher Zeit
sowohl von denen, welche die Tyche zur allwaltenden Gottheit
gemacht hatten, als auch von denen, die zur Wahrung der wissen-
schaftlichen Methode für religiöse Fragen die Skepsis proklamier-
ten. Und noch etwas anderes ist wohl zu berücksichtigen, was den
platonisierenden Richtungen ein besonderes, sie alle verbindendes
Gepräge gab: die Platonische Form des ethischen Eudämonismus.
Wir werden sie mit Shaftesbury so zu deuten haben, daß sie auf
Wertgefühlen beruhte, vermöge deren wir einen unmittelbaren
Genuß an unserem eigenen Verhalten haben, wofern es unserer
'Natur’ nach ‘richtig’, d. h. im Sinne des ‘Ganzen’ unseres gesollten
Seins beschaffen ist und daher ‘schön’ erscheint. Dieser Zug in
Platons Ethik hängt aber eng mit seinem Gottesbegriff zusammen:
Der Eudämonismus darf insofern als Optimismus verstanden
werden, als er durch Gott verbürgt ist. Jegliches Gute im Kosmos,
auch das der menschlichen Gesinnung, ist unangreifbar und untöt-
bar, weil der Restand des Guten das große Gesetz, das große
08[ut6v des Kosmos ist, welches unmittelbar aus dem Wesen
Gottes selber folgt. Hierdurch hat schon in platonisierenden Lehren
die Auffassung von einer allwaltenden ‘Fürsorge’ Gottes ihren
legalen Platz3, so groß auch der Gesinnungsunterschied ist zwischen
1 Vgl. Ed. Zeller, Die Entwicklung des Monotheismus bei den Griechen
Vortr. u. Abh. I, 1865, S. 1—29.
2 Boethius, Consol. V, Schlußworte: Manet etiam spectator desuper
•cunctorum praescius deus visionisque eius praesens semper aeternitas cum
nostrorum actuum futura qualitate concurrit . . . ante oculos agitis iudicis
cuncta cernentis.
3 Von dem loc. dass. Phaed. 62b an über die schon mit der klassischen
Tragödie beginnende, seit der Stoa umfangreiche Pronoialiteratur bis zu
Senecas De providentia und Plutarchs De sera numinis vindicta. Es lohnt
auch, in diesem Zusammenhänge den Schluß von riepl xocrp-ou nachzulesen,
wo Legg. 716a zitiert ist, nachdem vorher das Wesen der Gottheit in
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1934/35. 2. Abh.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften